Lebensgefahr beim Gedenken der Toten auf den Friedhöfen
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Essen. 19 der 23 städtischen Essener Ruhestätten sind zumindest in Teilen nach dem Sturmtief Ela zwar wieder geöffnet. Die Aufräumarbeiten laufen aber weiter auf Hochtouren. Das Begehen vieler Bereiche sei momentan einfach zu gefährlich, sagt Grün und Gruga. Vielen Angehörigen wird das Warten zur Qual.
Riesige Vorhängeschlösser prangen an den Toren des Südwestfriedhofs. „Betreten-Verboten-Schilder“ warnen vor Lebensgefahr. Sturmtief Ela hat auch hier gnadenlos seine Spuren hinterlassen. Doch Winfried Scharf kann all das nicht aufhalten. „55 Ehejahre, die lassen sich nicht einfach so wegwischen“, murmelt der 81-Jährige, während er das mittlerweile von Ketten befreite Tor des Haupteingangs zum Südwestfriedhof mit einem Knarren aufschiebt und einen schuldbewussten Blick auf das „Betreten-auf-eigene-Gefahr“-Schild wirft. „Ich finde es natürlich richtig, dass die Friedhöfe aus Sicherheitsgründen gesperrt sind, aber ich kann einfach nicht anders. Seit ihrem Tod bin ich jeden Tag hier“, sagt der Rentner aus Haarzopf. Vor gut einem Jahr ist seine Ehefrau nach acht Jahren Krankheit gestorben. Nachdem der Sturm über Essen gewütet hatte, ging sein erster Weg zum Friedhof. „Ich hatte einfach keine Ruhe und musste sofort nachsehen, ob am Grab etwas passiert ist“, erinnert sich Scharf.
Mit dieser Sorge ist er nicht allein, weiß Hans-Joachim Hüser von Grün und Gruga. „Wir hatten an allen Friedhöfen, die wegen der Sturmschäden geschlossen werden mussten, Vorhängeschlösser angebracht. Die wurden innerhalb weniger Tage geknackt oder die Leute haben sich durch die benachbarten Wälder geschlagen, um zu den Gräbern zu kommen“, erklärt der Abteilungsleiter Friedhöfe. „Viele Menschen brauchen diesen Ort, um ihren Verstorbenen emotional nah zu sein. Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Angehörigen zu den Gräbern möchten, um zu schauen, wie es dort nach dem Sturm aussieht“. Doch leider seien ihm die Hände gebunden. „Allein auf dem Südwestfriedhof sind 70 Bäume vom Sturm umgeworfen worden. 100 weitere müssen noch gefällt werden, weil sie mit den Wurzeln nicht mehr fest im Boden verankert sind und jederzeit umfallen könnten.“
Gärtner arbeiten rund um die Uhr
Das Begehen sei momentan einfach zu gefährlich, so Hüser. Denn auch wenn es im Eingangsbereich schon fast normal aussieht, erzählen im hinteren Teil des Friedhofs noch verwüstete Wege und teils komplett unter Bäumen und Ästen verschwundene Grabstätten von den traurigen Folgen des Sturmtiefs. Eine Fläche von 40 Fußballfeldern müssen die Gärtner allein auf dem Südwestfriedhof noch in Ordnung bringen. Daher rät Hüser Besuchern, die Verbotsschilder zu respektieren. Sollte es trotzdem jemand wagen, sei ein wachsamer Blick in die Baumkronen empfohlen. „Entdeckt man dort Äste, an denen verwelkte Blätter hängen, sollte man sich rasch entfernen“, erklärt Hüser.
Rund um die Uhr und selbst am Wochenende leisten die Friedhofsmitarbeiter vollen Einsatz, um Wege und Gräber so schnell wie möglich wieder frei zu räumen. Selbst die Halbtagskräfte würden derzeit Zehn-Stunden-Schichten fahren, erklärt Hüser. Acht externe Firmen seien zudem engagiert. Auf den 23 städtischen Friedhöfen seien insgesamt 400 Bäume umgestürzt, weitere 150 müssten aus Sicherheitsgründen noch gefällt werden. An vielen Stellen sei die Arbeit zudem sehr aufwändig, da man selbst mit den 30 Meter hohen Hubsteigern nicht alle Gefahrenstellen erreicht und die Wege teilweise sehr eng sind. „Wir wollen natürlich auf keinen Fall die Gräber beschädigen“, erklärt Hüser. „Auf diesen engen Pfaden setzen wir Baumkletterer ein, die die abgebrochenen Äste in den Kronen absägen.“ Bis alles wieder komplett zugängig ist, könne es noch Wochen dauern, meint Hüser. Beerdigungen hätten allerdings von Anfang an stattfinden können. „Die haben immer noch Vorrang bei unseren Aufräumarbeiten.“
Schäden auf Gräbern gering
Die Schäden auf den Gräbern selbst seien Gott sei Dank überraschend gering, zieht Hüser Bilanz. Hier und da sei ein Baum auf eine Stätte gefallen. Von den rund 120.000 Grabmälern auf den städtischen Friedhöfen seien jedoch nur 50 beschädigt worden. „Das freut mich natürlich für die Hinterbliebenen“, so Hans-Joachim Hüser. Denn die Schäden müssen die Privatpersonen selbst tragen.
Aufräumarbeiten nach dem Orkan
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Besonders hart habe es entsprechend der Einflugschneise aus Mülheim die Friedhöfe im Süden getroffen wie Kettwig, Werden, Bredeney, den Terrassen- und eben auch den Südwestfriedhof. Mittlerweile seien jedoch 19 der insgesamt 23 städtischen Friedhöfe mindestens in Teilen wieder freigegeben. „Ich denke, dass auch die Friedhöfe, die noch komplett gesperrt sind, in ein bis zwei Wochen ebenfalls Stück für Stück wieder geöffnet werden können und die Wartezeit für die Trauernden endlich ein Ende hat“, sagt Hans-Joachim Hüser.
Infos zu den Sperrungen
Der Südwestfriedhof, der Friedhof Schonnebeck sowie der evangelische Teil des Friedhofs am Hallo sind nach wie vor gesperrt. Der Terrassenfriedhof sollte Freitag Nachmittag wieder freigegeben werden, der Friedhof Bredeney in der nächsten Woche. Auskunft zu den städtischen Friedhöfen gibt es auf der Internetseite der Stadt Essen oder telefonisch bei Grün und Gruga unter 88 67 601. Für die konfessionellen Friedhöfe gibt es keine zentrale Erfassung. Infos gibt es in den jeweiligen Pfarrbüros der Gemeinden.
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