Essen. Sofern es möglich ist, wollen Essener Firmen ihren Mitarbeitern während der Fußball-Weltmeisterschaft entgegen kommen. Manche Unternehmen ergreifen sogar selbst die Initiative und ermuntern ihre Mitarbeiter, sich die Spiele im Fernsehen anzusehen. Andere lockern Kleidervorschriften oder organisieren Grill-Partys samt Tippspiel.

Wer alle Spiele der Fußball-WM in Brasilien sehen will, muss lange wach bleiben: Einige Begegnungen beginnen erst um 22 Uhr oder nach Mitternacht – die meisten Arbeitnehmer müssen aber trotzdem am nächsten Morgen früh zum Job. Auch wenn viele Unternehmen flexible Arbeitszeitregelungen anbieten, besteht kein Anspruch darauf, wegen eines Fußballspiels später zur Arbeit zu kommen oder den Dienst zum Wunschtermin zu tauschen.

„Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, ob er für die Weltmeisterschaft Sonderregelungen trifft“, so Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer beim Essener Unternehmensverband und Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Grundsätzlich gelten aber die gleichen Regeln wie sonst auch.“ Kanders sagte, er habe das Thema vor einigen Wochen in der Essener Personalleiterrunde angesprochen. Demnach sehen die Chefs der Fußball-WM gelassen entgegen. „Aufbauend auf den guten Erfahrungen in 2006 und 2010, werden sich die Unternehmen auch jetzt sehr kulant verhalten“, berichtete Kanders. „Die Erfahrung zeigt, dass diese Freiheiten nicht ausgenutzt werden.“

Ein "Wunschbuch" für Fußball-Fans

Manche Unternehmen ergreifen sogar selbst die Initiative und ermuntern ihre Mitarbeiter, sich die Spiele im Fernsehen anzusehen. Andere lockern Kleidervorschriften, soweit möglich und erlauben Schwarz-Rot-Gold am Arbeitsplatz. Der Software-Anbieter Gfos plant, ein Grillfest auf die Beine zu stellen und hat bereits kleine Gewinne für ein Fußball-Tippspiel organisiert. Vor ein paar Wochen wurden außerdem WM-Planer verteilt, auf denen die Spielpläne aufgelistet sind. „Wir sind halt ein Ruhrgebiets-Unternehmen“, betonte Sprecherin Miriam Czepluch-Staats lachend. „Da hat Fußball natürlich eine besondere Bedeutung. Außerdem ist Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung für uns ein wichtiges Thema.“

Im Falle von Gfos kann sogar die eigene Produktpalette hilfreich sein: Das Unternehmen vertreibt unter anderem Programme zur Personaleinsatzplanung und hat für die hauseigenen Fußball-Fans ein „Wunschbuch“ ins Leben gerufen. „Die Kollegen können dort ihre Dienstwünsche eintragen und sehen, wer an den entsprechenden Tagen tauschen könnte“, berichtete die Sprecherin. „Außerdem arbeiten wir mit einem Gleitzeitmodell.“

"Man muss halt miteinander reden"

Der Einzelhandelsverband Ruhr erklärte auf NRZ-Anfrage, dass es bislang keine Anfragen zur Fußball-WM gab. „Wenn es um Karneval oder Weihnachten geht, gibt es schon recht häufig Informationsbedarf“, sagte Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverband und ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Dass bislang noch nichts gekommen ist. freut mich und zeigt, das die Betriebe untereinander gute Lösungen finden.“ Heistermann betonte, dass Unternehmen in erster Linie ihren Kunden verpflichtet seien und das auch während der WM gelte. Sofern es aber machbar sei und der Betrieb nicht gestört werde, habe man bislang immer einen gemeinsamen Nenner gefunden. Mancher Arbeitnehmer habe sogar Urlaub eingereicht, um auch wirklich alle Spiele sehen können. „Sollte es doch einmal Probleme geben, braucht man auf jeden Fall eine individuelle Lösung. Man muss halt miteinander reden.“

Keine Fernseher in der Firmenzentrale

Mit dem „Sommermärchen“ während der Fußball-WM 2006 ist die aktuelle Situation jedoch nicht ganz vergleichbar. Damals hatten zahlreiche Betriebe Fernseher in ihren Niederlassungen aufgestellt, damit sich die Mitarbeiter in der Pause auf dem Laufenden halten konnten. Zumindest der Energiekonzern RWE und die Stadtsparkasse werden diesen Service während der WM in Brasilien nicht mehr anbieten und verweisen auf die späten Spielzeiten.

In bestimmten Branchen gibt es zudem nur wenig Spielraum für Dienstwechsel – zum Beispiel in der Sicherheitsbranche oder in Kraftwerken. Die Gründe dafür liegen unter anderem im Gesundheits- und Arbeitszeitenschutz: „Wir haben viele Chemieanlagen, die aus technischen Gründen rund um die Uhr in Betrieb sind“, erklärte Evonik-Konzernsprecher Ruben Thiel. „Eine allgemeine Änderung von Schichtzeiten während der Fußball WM ist bei uns nicht vorgesehen.“