Essen. Als die kleine Mia zu Familie Sieverling aus Essen kam, war sie drei Wochen alt und unterernährt. Die Sieverlings sind eine Bereitschaftspflegefamilie, sie nehmen Kinder in Not für einige Zeit auf. Teilweise kommen die Kinder mit einer halben Stunde Vorwarnung. Das Essener Jugendamt sucht Eltern für die Bereitschaftspflege.

Egal wo Familie Sieverling aus Essen auftaucht, wird sie bestaunt: Vier Kinder sind in der heutigen Gesellschaft eine Seltenheit. Dass die beiden Jüngsten Bereitschaftspflegekinder sind, fällt Außenstehenden nicht auf. So selbstverständlich gehören Mia* (sieben Monate) und Maja* (23 Monate) dazu, so liebevoll gehen die Sieverlings mit ihnen um. „Wir machen keinen Unterschied zu unseren eigenen Kindern“, sagt Tobias Sieverling, während Maja auf seinen Schoß klettert.

Bereitschaftspflege ist nötig um Kinder, die schnell aus einer für sie kritischen akuten Notsituation herausgeholt werden müssen, für einen begrenzten Zeitraum bei einer Familie unterzubringen. „Die Kinder kommen teilweise mit einer halben Stunde Vorwarnung zu den Pflegeeltern, manche haben nur das, was sie am Leibe tragen“, erzählt Christiane Schroten vom Pflegekinderdienst des Essener Jugendamtes. 75 Kinder sind in Essen derzeit in Bereitschaftspflege, und der Bedarf ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen.

Bereitschaftspflegeeltern werden vom Jugendamt geschult

Anders als bei Pflegeeltern müssen sich die Bereitschaftseltern damit auseinandersetzen, dass die Kinder nur zu Besuch sind. Für Tobias und Claudia Sieverling ist das kein Problem: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden und sind in den Vorbereitungskursen vom Jugendamt gut geschult worden“, sagt Claudia Sieverling, die 20 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet hat und sich beruflich verändern wollte, als sie über Bekannte, die bereits Bereitschaftspflege machen, auf die Idee gebracht wurde.

Nach intensiven Gesprächen mit dem Jugendamt aber auch mit der eigenen Familie fiel die Entscheidung. „Nicht nur wir, sondern auch unsere beiden Kinder Felix (8) und Nina (6) und unser soziales Umfeld sollte hinter dem Entschluss stehen.“

Mia war drei Wochen alt und unterernährt

Wöchentliche Kontakte mit den leiblichen Eltern werden angeboten

In der Regel bleiben die Kinder drei bis sechs Monate in der Bereitschaftspflege; in Ausnahmefällen auch länger.

In dieser Zeit werden den leiblichen Eltern wöchentliche Kontakte unter Aufsicht des Jugendamtes angeboten.

Voraussetzung für die Bereitschaftspflege: Ein Erwachsener muss zu Hause sein. Man darf finanziell nicht auf das Geld für das Pflegekind angewiesen sein.

Kontakt für Interessierte: Andrea Macher, 0201-88 51365

Das erste Pflegekind blieb nur ein paar Wochen, dann kam Mia zu ihnen: Das damals drei Wochen alte Mädchen war mit knapp 2700 Gramm total unterernährt und nicht in der Lage, zu trinken. „Innerhalb kürzester Zeit hat sich Mia erholt und ist inzwischen ein süßes Baby“, sagt Tobias Sieverling stolz und spricht von Halt und Geborgenheit, ohne das es aufgesetzt wirkt.

Maja ist seit Januar bei ihnen und hat sich ebenfalls gut entwickelt. Essen ist für den pummeligen Lockenkopf das Größte, „da ist sie manchmal maßlos“, erzählt Claudia Sieverling, die ihr Engagement ein „Zuhause auf Zeit“ nennt. Spannend sei es, sich immer wieder auf neue Kinder einzulassen und zu sehen, wie sie durch ein wenig Zuwendung aufblühen.

„Eine Familie wie die Sieverlings ist ein Glücksfall“, lobt Christiane Schroven, die sich für Essen noch mehr Eltern auf Zeit wünscht.

*Namen wurden von der Redaktion geändert.