Essen. Das „Essener Babyfenster“ ist von der Beethovenstraße im Südviertel zum Elisabeth-Krankenhaus in Huttrop umgezogen. Die Zahl der Helfer nahm ab, nun betreut die Neugeborenen-Station direkt die Einrichtung.

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, aber er war laut den Verantwortlichen notwendig: Das Essener Babyfenster hat den Standort gewechselt. Seit gestern Mittag befindet sich die Klappe, wo Mütter in extremen Notsituationen ihr Neugeborenes in sichere Obhut geben können, am Elisabeth-Krankenhaus in Huttrop. Bisher betreuten ehrenamtliche Helfer und Schwestern des Frauenordens im Bistum die Einrichtung im Haus Nazareth an der Beethovenstraße im Südviertel. „Es braucht Menschen, die das tun, und Schwestern, die dazu in der Lage sind, die nächtliche Bereitschaft dort sicherzustellen“, sagt Sprecher Björn Enno Hermans.

Das sei von beiden Seiten her nicht mehr möglich gewesen, daher habe man sich für diesen Schritt entschieden. Ohnehin arbeitete man bereits mit der Klinik für Neu- und Frühgeborene des Krankenhauses zusammen, die die Findlinge nach der Abgabe im Fenster untersucht. Die Mitarbeiter auf deren Station werden nun direkt alarmiert, wenn eine verzweifelte Mutter ihr Kind ins Fenster legt, und sie können in Sekundenschnelle reagieren.

Ehrenamtliche Helfer blieben aus

Zwischen der Kapelle am Krankenhaus und dem Ärztehaus an der Ruhrallee liegt der neue Standort, und zwar in einer etwas verdeckten Ecklage des Hauptgebäudes. Diese ruhige Atmosphäre war ein Augenmerk der Verlagerung, denn auch am bisherigen Standort im Südviertel, wo etwa der Adoptions- und Pflegekinderdienst des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) sowie das Kinderpalliativnetzwerk untergebracht sind, herrschte wenig Öffentlichkeit. Seit 2001 saß die Einrichtung dort in der Beethovenstraße: tagsüber betreut von den Mitarbeitern des SkF, „nachts war dann immer eine der Ordensschwestern mit einer oder einem Ehrenamtlichen zuständig“, so der Sprecher. Personell sei das auf Dauer nicht mehr zu leisten gewesen, besonders freiwillige Helfer blieben, wohl wegen der Verbindlichkeit des Engagements, aus.

„Besonders das Überbrücken von bestimmten Zeiten zwischen dem Tagesbetrieb und der Nacht wurde immer schwieriger. Am Wochenende mussten wir auch auf Studenten als Bereitschaftskräfte zurückgreifen“, erklärt Hermans. Die Entscheidung für den Umzug habe man ferner wegen der Debatte auf Bundesebene um die Zulässigkeit der Babyfenster abwarten müssen. „Wir befinden uns zwar weiter in einer rechtlichen Grauzone, aber das neue Gesetz von Familienministerin Schröder zur vertraulichen Geburt sieht kein Verbot vor“, berichtet er. 2017 werde der Bund voraussichtlich erneut prüfen, wie es mit den Klappen weitergeht. „In dieser Übergangszeit von drei Jahren hätten wir das Babyfenster im Haus Nazareth nicht mehr zum Laufen bekommen.“

Es hat sich nur der Standort verändert

Hermans betont: „Außer dem Standort hat sich aber wenig geändert.“ Trägerschaft und Abläufe seien weiterhin identisch. Werde ein Kind abgegeben, unterrichte man den SkF sowie die Kripo, um eine Kindesentführung ausschließen zu können. Es verbleibe meist eine Woche zur Beobachtung im Krankenhaus, so Dariusz Michna, leitender Arzt der Neugeborenen-Klinik. Danach komme der Säugling für acht Wochen in eine Bereitschafts-Pflegefamilie und werde später in eine Adoptivfamilie vermittelt. Mehr Arbeit beschert dem Verein nun aber, die Information über den neuen Standort zu verbreiten. Gerade im Internet sei es schwierig, dies an allen Stellen zu korrigieren. Offensiv werben will man schließlich auch nicht.

16 abgegebene Kinder in zwölf Jahren

In den zwölf Jahren, in denen sich Bürger und Nonnen für die Klappe an der Beethovenstraße 365 Nächte im Jahr um die Ohren schlugen, wurden 16 Neugeborene abgegeben. Nur bei einem der Kinder meldete sich später die Mutter und es kam unter Mitwirkung des Jugendamtes wieder zu ihr zurück.