Essen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Essener Radiologe und EBB-Ratsherr Karlgeorg Krüger soll nicht über die nötige Qualifikation verfügen und Patienten geschadet haben. Krüger hingegen spricht von Intrigen gegen seine Person. Allerdings gibt es eidesstattliche Erklärungen früherer Mitarbeiter.
Ein gutes Zeichen ist es meist nicht für einen Arzt, wenn die Teams vom Privatfernsehen vor seiner Praxis in Lauerstellung sind. Auch für Dr. Karlgeorg Krüger, Eigentümer des Diagnosezentrum „Diavero“ mit Hauptsitz in Kupferdreh, glich der Arbeitstag am Donnerstag einem Spießrutenlauf. Am Mittwochabend war die „Süddeutsche Zeitung“ mit der Nachricht herausgekommen, Krüger verfüge nicht über die nötige Qualifikation für Brustkrebs-Diagnosen durch die so genannte „Biopsie“, er habe bestimmte Zertifikationen nicht vorzuweisen, liege im Clinch mit Patienten und zeichnete insgesamt das Bild eines Arztes, der seinen Patienten mehr schade als nutze.
Auch der WAZ liegen Aussagen und eidesstattliche Versicherungen vor, die Krüger vorwerfen, nicht über die nötige praktische Erfahrung zu verfügen, um Brustkrebs mit der Biopsie-Methode sicher zu diagnostizieren. Es sei nicht auszuschließen - manche sagen sogar: es ist wahrscheinlich -, dass dadurch Frauen zu Schaden gekommen sind, weil ihr Krebs nicht so früh entdeckt wurde wie es vielleicht möglich gewesen wäre.
Krüger sitzt zudem für das Essener Bürgerbündnis im Rat der Stadt
Ein harter, ja ein vernichtender Vorwurf gegen den Mann, der nebenbei für das Essener Bürgerbündnis im Rat der Stadt sitzt. Aber stimmt er auch? Während die Gegner des Radiologen vielfach aus der Anonymität heraus operieren, will Krüger, der Donnerstag noch in den Medien „Dr.K.“ hieß, mit offenem Visier und Klarnamen kämpfen. „Jetzt erst recht, ich gebe nicht auf, denn ich habe mir keine Verfehlungen vorzuwerfen.“
Sicher seien auch ihm und seinen angestellten Ärzten kleine Fehler passiert, diese aber seien unvermeidlich, gewissermaßen im Normbereich. „Sie schaffen es nicht, alle Frauen rauszufischen, das schafft keiner“, sagt Krüger. Karzinome wüchsen manchmal innerhalb von Wochen. Er räumt allerdings ein: „Im Nachhinein, in Kenntnis des Krankheitsverlaufs, würde man vielleicht manche Diagnose geringfügig anders bewerten.“ Das passiere aber jedem Arzt, seine Qualifikation sei davon unberührt.
Radiologe beschuldigt früherer Praxis-Kompagnon
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Radiologen gelten unter den Medizinern als Bestverdiener, und genau darum gehe es, sagt Krüger: „um viel Geld und Zugang auf dem lukrativen Markt der Brustkrebs-Diagnostik“. Er stellt den Fall als Intrige dar. Ein früherer Praxis-Kompagnon, mit dem er nach eigenen Angaben im heftigen Streit schied und der heute im Essener Huyssensstift Dienst tue, arbeite gezielt an der Herabsetzung seines Rufes. Der Arzt will nicht mit Namen zitiert werden, bestreitet aber die ihm angehängte Wühlarbeit und verweist auf Bewertungen und Verweigerung von Zertifikationen, die Krüger von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und dem Referenzzentrum für Mammografie in Münster erhalten habe. Tatsächlich wird Krüger dort kein sehr schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein hat Krüger schon 2010 erstmals, zunächst allerdings nur kurzzeitig, den Versorgungsauftrag für das so genannte Mammografie-Screening entzogen. Dies sei kurz nach der Trennung von Praxispartner geschehen, der - so sagen die einen - deutlich mehr praktische Erfahrung in Sachen Biopsie gehabt habe. Dr. Karlgeorg Krüger bestreitet auch dies, spricht davon, er habe persönlich um die 1000 Mal Proben von verdächtigem Brustgewebe entnommen, habe es allerdings manchmal mit den umfangreichen Berichtspflichten und der Bürokratie nicht so eng gesehen. „Den Praktikern unter den Ärzten, die den jeweiligen Fall dann beispielsweise operativ weiterbehandelten, war das nicht so wichtig“, so Krüger.
Geht es um den Kampf auf dem lukrativen Markt der Brustkrebs-Diagnostik?
Die Mitarbeiter des Münsteraner Mammografie-Referenzzentrums hätten ihm aus solchen - wie Krüger meint - eher lässlichen Sünden einen Strick gedreht. Zu Details war in Münster mit Verweis auf das schwebende Verfahren nichts zu erfahren. Nicht mehr schwebend ist eine Anzeige gegen Krüger, die ein missliebiger Kollege 2013 erstattete, der ihm in mehreren Fällen Falschdiagnosen nachweisen wollte. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen Krüger aber Anfang dieses Jahres ein.
Krügers Verteidigung stehen allerdings nicht nur Vorwürfe von anderen Ärzten gegenüber, es gibt auch eine eidesstattliche Erklärung einer früheren Mitarbeiterin, die jetzt ebenfalls am Huyssensstift Dienst tun soll. Sie sagt, Krüger habe über einen von ihr zu überblickenden Zeitraum von drei Jahren „nicht eine einzige“ der fraglichen Biopsien „selbstständig und eigenhändig ausgeführt“. Das Referenzzentrum und die KV Nordrhein sahen sich jedenfalls offenbar zum Handeln genötigt, 2013 wurde Krüger der Versorgungsauftrag ein zweites Mal entzogen - „aus formalen Gründen“, wie es abschwächend in einer Mitteilung der KV heißt. Diesmal wurde sofortiger Vollzug angeordnet. Dagegen klagt der Essener Radiologe derzeit vor dem Landessozialgericht, nachdem die erste Instanz der KV Recht gegeben hatte.
Laut KV gab es Bestrebungen anderer, das Screening zu übernehmen
Um die Versorgung in seiner Praxis sicherzustellen, hat Krüger einen weiteren Mediziner angestellt, der nun an seiner Statt die Biopsien vollzieht. „Das heißt nicht, dass Dr. K. (gemeint ist Krüger, d. Red.) die Qualifikation zum korrekten Befunden fehlte oder fehlt“, hieß es am Donnerstag in besagter Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung. Inoffiziell war bei der KV zu erfahren, auch die Aussagen der Widersacher von Krüger seien mit Vorsicht zu genießen. Geht es wirklich um Geld und um den Versuch, Marktanteile umzuschichten, wie Krüger meint? Laut KV gab es jedenfalls Bestrebungen anderer, das Screening zu übernehmen. Die Geschäftsführung des Huyssensstift, wo Krügers Ex-Praxispartner arbeitet, war am Donnerstag nicht zu sprechen.
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Karlgeorg Krüger mag manchem auch aus einer nichtärztlichen Funktion bekannt vorkommen. Tatsächlich sitzt der Bredeneyer für das Essener Bürgerbündnis (EBB) im Rat der Stadt, befindet sich neben seiner beruflichen Tätigkeit derzeit im Wahlkampf und ist deshalb auf vielen Wahlplakaten im Essener Süden zu sehen. Seine Chance auf eine Wiederwahl am 25. Mai gelten als recht gut, hinter dem Spitzenkandidaten Udo Bayer steht er auf Platz 2 der EBB-Liste.
Könnte hier eine Überlastung vorliegen, wie einige der journalistischen Fragesteller es zumindest anklingen ließen? Krüger weist dies zurück. „Für das ehrenamtliche politische Engagement, für das ich viel Freizeit opfere, werde ich mich sicher nicht rechtfertigen.“ Die Dinge zeitlich unter einen Hut zu bekommen, sei halt „eine Frage der Organisation“.