Essen. Der Essener Mammografie-Skandal hat bei Tausenden Frauen Unsicherheit ausgelöst; die Fachwelt stellt bohrende Fragen. Der Vorfall in Essen befeuert die Debatte um den generellen Sinn des Screening-Programms, das von den Gesetzlichen Krankenkassen mit mehreren Millionen Euro gefördert wird.

Der Essener Mammografie-Skandal hat bei Tausenden Frauen Unsicherheit ausgelöst; die Fachwelt stellt bohrende Fragen. Rund 35.000 Frauen pro Jahr hat der Essener Radiologe Dr. Hansgeorg Krüger nach WDR-Angaben im Mammografie-Screening untersucht – einer Reihenuntersuchung der Brüste auf Brustkrebs. Dabei soll er für einen Teil des Programms nicht die notwendige Qualifikation gehabt haben, nämlich für die Durchführung von Biopsien. Diese sind kleine Gewebeentnahmen, die bei einem auffälligen Befund notwendig sind. Es soll auch zu Fehldiagnosen gekommen sein.

Essener Ärzte greifen nun vor allem die Kassenärztliche Vereinigung an: Warum konnte der Röntgenarzt bis 2013 weiter bioskopische Brustuntersuchungen durchführen, obwohl bereits seit 2010 klar war, dass ihm die Qualifikation fehlte?

Eine Sprecherin der Ärzte sagte zur WAZ: „Die Kassenärztliche Vereinigung hat den programmverantwortlichen Ärzten im Jahr 2010 den Versorgungsauftrag in Essen entzogen.“ Doch Krüger „hat dagegen Rechtsmittel eingelegt, die aufschiebende Wirkung hatten. Damit konnte Dr. Krüger weiter tätig sein, bevor er von der Kassenärztlichen Vereinigung gestoppt wurde.“

„Man hat formale Gründe vorgeschoben, um nichts zu unternehmen“

Ärzte vom Gynäkologischen Qualitätszirkel Ruhr wie Dr. Holger Gerlach und Dr. Hans-Uwe Feldmann, Bezirksvorsitzender der Ärztekammer in Essen und zuständig für die Ärzte in Essen, Mülheim und Oberhausen halten die Antwort für unzureichend. „Als wir Essener Ärzte bei der Kassenärtzlichen Vereinigung auf die massiven Qualitätsmängel hingewiesen haben, hat man formale Gründe vorgeschoben, um nichts zu unternehmen“, so Gerlach.

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NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) fordert nun, dass die Verantwortlichen alles dafür tun, den untersuchten Frauen Klarheit darüber zu verschaffen, wie aussagekräftig die Ergebnisse des Screenings tatsächlich sind.

Der Vorfall in Essen befeuert die Debatte um den generellen Sinn des Screening-Programms, das von den Gesetzlichen Krankenkassen mit mehreren Millionen Euro gefördert wird. Viele Wissenschaftler – vor allem in den USA, in Skandinavien und in der Schweiz – zweifeln inzwischen die Wirksamkeit an. Der Nutzen werde massiv überschätzt, so die Schweizer Behörde für Qualitätssicherung.