Essen. . Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll der Essener Arzt Dr. K. über Jahre das Brustkrebs-Vorsorgeprogramm für die drei Städte Essen, Mülheim und Oberhausen „ohne eine erforderliche Qualifikation“ geleitet haben. Während der Arzt von einer Intrige spricht, räumt er jedoch ein, dass Fehler passiert sind. Essener Frauenärzte haben die Kassenärztliche Vereinigung seit Jahren über die angeblich mangelhafte Durchführung informiert.

Gegen einen Essener Radiologen werden schwere Vorwürfe erhoben. Der Mediziner soll nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) verantwortlich sein für Pfusch bei Mammografien. Gemeinsame Recherchen von SZ, WDR und NDR hätten ergeben, dass Dr. K. das Brustkrebsvorsorge-Programm offenbar „jahrelang ohne erforderliche Qualifikation geleitet“ hat. Die Besorgnis erregende Schlussfolgerung: „Es könnte zu schweren Fehlern gekommen sein“.

Dr. K. soll wiederholt nicht die geforderte Anzahl von Biopsien nachgewiesen haben. K. selbst erklärte am Mittwochabend gegenüber unserer Redaktion, es handele sich um eine „Intrige“ gegen ihn. Es gehe um „Marktanteile“ und darum, ihn zu diskreditieren und vom Markt zu verdrängen. K. deutete an, dabei spiele ein Essener Krankenhaus mit Wachstumsbestrebungen eine entscheidende Rolle.

Das Referenzzentrum Münster als zuständige Kontrolleinrichtung habe die fehlende Qualifikation bemängelt, hieß es. K. bestätigte, dass hierzu seit Jahren ein juristischer Streit anhängig ist. Seit Ende 2010 hätten auch Ärzte aus der Region bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) auf Mängel hingewiesen und sich über mögliche Fehldiagnosen von K. beschwert.

Arzt soll vorgeschriebene Methoden nicht beherrscht haben

Der jährliche Nachweis von mindestens 50 Biopsien ist Voraussetzung für die Leitung einer Screening-Einheit. Doch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein habe K. bis Herbst 2013 weitermachen lassen. Seine mangelnde Erfahrung sei ab 2010 deutlich geworden, als er anstelle eines ausgeschiedenen Praxispartners Biopsien nun eigenhändig habe durchführen müssen.

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Nach Aussagen von Mitarbeiterinnen habe K. die vorgeschriebenen Methoden nicht beherrscht. Dabei soll es mehrfach zu Fehlern bei Biopsien gekommen sein, durch die verdächtige Befunde abgeklärt werden. Der Arzt vom Diavero Brustdiagnosezentrum Essen, der in Essen auch politisch aktiv ist, spricht von einer Intrige. Aber er sagt auch: „Natürlich sind Fehler passiert. Fehler passieren immer.“

Vorwürfe in Essener Ärztekreisen lange bekannt

Aus Essener Ärztekreisen ist zu hören, dass die Vorwürfe schon lange bekannt sind, schon seit etwa 2008, so ein Essener Brustspezialist gegenüber dieser Zeitung. Er gehört zu den Essener Ärzten, die Beweise gesammelt haben. Immer wieder. Und immer wieder gemeinsam mit anderen Essener Frauenärzten habe er seit Jahren bei bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein vorgesprochen. Immer wieder mit dem dringenden Hinweis, dass etwas schief laufe. In eben diesen Ärztekreisen habe man gehört, dass erst eine Strafanzeige einer Patientin gegen den Arzt die Sache wirklich ins Rollen gebracht hat. Doch die Kassenärztliche Vereinigung ließ ihn bis 2013 weitermachen.

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„Man hätte viel früher eingreifen müssen“, sagte die renommierte Hamburger Radiologin Ingrid Scheer gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Fortsetzung des Screenings habe eine „Gefahr für die Frauen“ dargestellt.

Es gibt eine Kontrolleinrichtung: das Referenzzentrum Münster. Eine Stellungnahme war am Mittwochabend nicht zu erhalten. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein war nicht mehr erreichbar.

Der Sprecher des Gesundheitsministeriums NRW konnte sich am Abend spontan nicht detailliert äußern, doch grundsätzlich gelte: „Die Verfahrenshoheit hat die Kassenärztliche Vereinigung. Aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen liegt der Auftrag zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen“.

Brustkrebs: Diagnose per Biopsie

Wer jemals einen Blick in eine Radiologische Praxis geworfen hat, weiß, in welcher Situation Frauen hier sind: Die Angst wartet mit. Jede neunte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs, so die Zahlen der Deutschen Krebshilfe. Frauen, die hier sitzen, bauen vor allem darauf, dass der Arzt, dem sie sich anvertrauen, sein Handwerk versteht. Sie verlassen sich darauf, dass die Brustkrebs-Diagnose sicher ist. Dass sie bei ihrem Arzt in besten Händen sind, wenn beispielsweise bei der Röntgenaufnahme der Brust eine Auffälligkeit entdeckt wird.

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Dann nämlich muss eine Biopsie gemacht, also eine Gewebeprobe entnommen werden. Diese wird unter Ultraschall- oder Röntgenkontrolle durchgeführt. Dabei werden unter Lokalbetäubung mit einer Hohlnadel aus der auffälligen Region in der Brust mehrere Gewebeanteile entnommen, die dann der Pathologe untersucht. Nur eine exakte Gewebeprobe bietet die Grundlage für die richtige Therapie. Und die ist entscheidend für einen Sieg über den Krebs.

Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, danken ihren Ärzten oft. Auf vielen Patienten-Veranstaltungen ist das zu beobachten. Nur in Essen ist das seit Jahren anders. „Wir Frauen haben das Vertrauen verloren“, sagte ein langjähriges Mitglied einer Selbsthilfegruppe. Genaueres wollte sie nicht sagen. „Die Kraft habe ich als erkrankte Frau nicht.“ Es gehe um geschäftliche Interessen. Krankenhäuser seien auf der Suche nach Patienten, „weil sie Geld bringen“. Das, was jetzt an die Öffentlichkeit gekommen ist, verwundert sie nicht.