Essen. . Den NRW-Reformüberlegungen zum G8-Abitur stehen die Schulleiter in Essen offen gegenüber. Eine komplette Rückkehr zu G9 schließen Gymnasien hingegen aus pragmatischen Gründen aus. Essener Schulleiter wünschen sich ein einheitliches Bildungssystem in ganz Deutschland.

Sie wird mal wieder hin- und hergeschubst – die G8-Idee und mit ihr all die Schüler, Lehrer und Eltern. Durch die Bürgerinitiativen „Gib 8“ und „G 9 jetzt“ unter Druck gesetzt, spielen die politischen Schöpfer des „Turbo-Abis“ nun nach der ersten Testrunde mit dem Gedanken, es wieder zu Grabe zu tragen. Am Runden Tisch diskutierte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann jetzt mit Bildungsexperten über die Zukunft des umstrittenen Konzepts.

Dauerstress, schlechte Noten und Stoff, der nur gepaukt und nicht verstanden wird – das verbinden 80 Prozent der Eltern laut einer Studie der Uni Duisburg-Essen mit dem so genannten G8-Abitur, bei dem Schüler bereits nach zwölf Jahren ihr Reifezeugnis bekommen. Herausgefunden haben sie aber ebenso, dass die erhöhte Geschwindigkeit nicht zwangsläufig Nachteile bringt, weder bei den Noten, noch bei der persönlichen Entwicklung. Unabhängig davon sehen die Bildungsexperten in Düsseldorf sowie die Mehrzahl der Essener Schulleiter in einer Reform von G8 den realistischen Weg.

"Wir haben uns damit arrangiert"

Für die Schulleiterin des Gymnasiums Überruhr, Gabriele von Heymann, gibt es kein Zurück mehr. „Wir haben uns damit arrangiert, sind Ganztagsschule geworden und versuchen, den Schulalltag der Kindern unter den neuen Voraussetzungen so gut wie möglich zu strukturieren“, erklärt die Schulleiterin. Auch wenn sie das pädagogische Konzept des verkürzten Wegs zum Abitur nach wie vor in Frage stellt.

Diese Sicht teil auch Sr. Ulrike Michalski von der BMV-Schule. Wichtig sei ihr vor allem, dass solche Entscheidungen nicht auf die einzelnen Schulen abgewälzt werden. „Ich würde mir wünschen, dass es für ganz Deutschland ein einheitliches Bildungssystem gibt.“

Dem stimmt auch ihr Kollege Rüdiger Böss vom Leibniz-Gymnasium zu. Der stellvertretende Schulleiter hat viele Jahre an deutschen Schulen im Ausland unterrichtet und schon dort beobachtet, auf welch unterschiedlichem Niveau Schüler aus verschiedenen Bundesländern waren. „Wir brauchen da dringend eine einheitliche Regelung“, erklärt Böss. Für Reformen wünsche er sich, dass wieder mehr Ruhe in die ersten sechs Schuljahre kommt. Die Entscheidung der schwarz-gelben Regierung, das fehlende Jahr auf die Mittelstufe abzuwälzen, hatte damals keiner der drei Schulleiter verstanden.

Auch interessant

Sr. Ulrike von der BMV sieht die Chance auf ein Gelingen von G8 allerdings weniger in strukturellen Reformen als in einem lernpsychologischen Umdenken „Wir müssen unsere Erwartungen anpassen“, erklärt die Schulleiterin. Man könne von den Schülern nicht verlangen, dass sie in jüngeren Jahren bei abstrakten Themen die gleichen Leistungen erbringen. „Dass den Schülern ein Jahr fehlt, merken wir außerdem daran, dass sie noch nicht so selbständig sind und mehr geführt werden wollen.“

Gymnasium Borbeck in Sonderrolle

Als einzige Schule in Essen hat das Gymnasium Borbeck bisher den G9-neu-Schulversuch gestartet, der sich an den G8-Bedingungen orientiert, den Schülern aber ein Jahr mehr Lernzeit lässt. Möglichen Reformen steht Schulleiterin Heike Walbrodt-Derichs derzeit gespalten gegenüber: „Eine sinnvolle Entschlackung ist gut, aber nicht auf Kosten der Studierfähigkeit.“

Und was sagen die Schüler dazu? Hannah Mills vom Gymnasium Überruhr bekommt den Stress des „Turbo-Abis“ in der 11. Klasse gerade zu spüren. „Uns fehlt das Jahr, in dem vor dem Abi nochmal ein bisschen Ruhe reinkommt“, erklärt die 17-jährige Schülersprecherin. Und der Start sei einfach holprig gewesen: „Die Lehrer waren sich unsicher, welchen Stoff sie streichen können und wir wussten nicht, was auf uns zukommt“, erzählt Hannah Mills. Für die Jahrgänge nach ihr sei nun schon alles besser geregelt. Ihr Wunsch: „Dass die Schüler früher darauf vorbereitet werden, dass sehr viel Arbeit auf sie zukommt und dass es noch mehr Unterstützung von den Lehrern und feste Lerngruppen gibt.“

In Düsseldorf werden sich nun drei Arbeitsgruppen bilden, die bis zum Herbst Ergebnisse vorlegen sollen.