Düsseldorf. . Die NRW-Landesregierung hält am Turbo-Abitur fest. Aber es soll jetzt untersucht werden, ob und wie eine Reform von G8 Sinn macht. Das ist das Ergebnis eines Runden Tischs. Der Konsens, der dort gefunden wurde: Das Turbo-Abi braucht erstmal Zeit, sich zu bewähren. Die Schüler sehen das aber anders.

Nach dem Runden Tisch in NRW zum achtjährigen „Turbo-Abitur“ kritisiert die Landesschülervertretung (LSV), eine Rückkehr zum G9 sei für die meisten Teilnehmer von vornherein ausgeschlossen gewesen. „Das war nicht ergebnisoffen“, sagte Vorstandsmitglied Vanessa Katharina Seiffert.

Auch die in der Runde vereinbarten Arbeitsgruppen zeigten, dass „das G9 nicht gewünscht ist und man lieber sehen will, wie man das Beste aus G8 herausholen kann“.

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Von Theo Schumacher

Wie die LSV fordert auch der politische Nachwuchs der beiden Koalitionsparteien in NRW, das neunjährige Abitur wieder in NRW einzuführen. Die Jusos wollen eine „zeitnahe, flächendeckende Abschaffung des G8“, weil es den Schülern „Raum zur Selbstentfaltung“ nehme.

Die Ministerin sagt, alles sei offen

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte nach dem Runden Tisch in der Staatskanzlei betont, es gebe noch keine Entscheidung. Schnellschüsse, mahnte sie, werde es im Konflikt um das „Turbo-Abitur“ nicht geben – und auch keine Entscheidungen „aus dem Bauch“. Statt vollmundig das Bekenntnis zu G8 zu erneuern und damit Gegner zu verärgern, wurde erst einmal Reformprozess eingeleitet. Offizielle Ansage: Ergebnis offen.

Bis zu den Herbstferien sollen drei Arbeitsgruppen ausloten, wie das achtjährige Abitur am Gymnasium verbessert werden kann. Ansatzpunkte wurden am Montagabend deutlich. So soll untersucht werden, ob neben dem G8 den Schülern noch ausreichend Freizeit bleibt. „Haben die jungen Leute genügend Zeit für Sport, Musik oder politische Betätigung?“ fragte Löhrmann. Und: wie wirkt sich das Ganztagsgymnasium auf das Verhältnis von Lernen und Hobbys aus?

"Wir brauchen eine Entlastung bei den Hausaufgaben"

Keine Klarheit gibt es zehn Jahre nach Einführung des Turbo-Abi offenbar auch, ob geplante Entlastungen der Schüler überall umgesetzt werden und ob alle Schulen das bereits erarbeitete Handlungskonzept nutzen. Löhrmann regte weitere „Entlastungseffekte“ an, betonte aber auch, dies dürfe nicht zu Lasten der Qualität gehen. Beispielsweise soll untersucht werden, wie ein klug organisierter Unterrichtsrhythmus zeitaufwändige Hausaufgaben nach Schulschluss weitgehend verzichtbar macht.

„Wir brauchen eine deutliche Entlastung bei den Hausaufgaben“, forderte auch die grüne Bildungsexpertin Sigrid Beer. Sie sprach sich dafür aus, Lehrpläne zu durchforsten. „Ergänzungsstunden müssen Ergänzungsstunden bleiben“, sagte sie. Der Philologenverband plädierte für eine Begrenzung des Nachmittags-Unterrichts in den Klassen 5 bis 9. „Man muss auch den Mut haben, Inhalte wegzulassen“, sagte Vorsitzender Peter Silbernagel. Eine Rückkehr zum G9 war unter den 45 Teilnehmern nur Einzelmeinung, vorgetragen von der Bürgerinitiative „G-ib-8“ oder der Landesschülervertretung.

FDP vermisst bei der CDU eine klare Haltung

Mehrere Teilnehmer wiesen darauf hin, das G8 habe in NRW erst einen Abitur-Jahrgang durchlaufen. Die Reform müsse die Chance haben, sich zu beweisen. Unter den Parteien bekannte sich die FDP am klarsten zum achtjährigen Gymnasium. Fraktionschef Christian Lindner kritisierte aber auch die CDU, die mit ihrem Chef Armin Laschet ihre Position zum G8 fast täglich ändere – „mal dafür, mal dagegen.“

Die Wirtschaft, einst bundesweiter Motor des Turbo-Abi, sieht zwar Mängel in der Umsetzung, warnt aber vor Unruhe und Reibungsverlusten an den Schulen durch einen erneuten Schwenk. Und während in Niedersachsen die Rückkehr zum G9 beschlossene Sache ist, während Volksentscheide pro G9 in Hamburg und Bayern auf dem Wege sind, versucht es die Politik in NRW erst einmal mit Reformen. Dennoch ist Löhrmann nicht entgangen, dass die Proteste lauter werden und sich die G8-Gegner – wie sie sagte - „heute mehr Gehör verschaffen“.