Essen. Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer adaptiert „Manderlay“ für die Grillo-Bühne und entpuppt Lars von Triers Sklavendrama mit seinem unauflösbaren Konflikt. Schlingensief-Ausstatter baut Figuren aus Kanistern und Kleiderbügeln.

Auf einer Südstaaten-Plantage herrschen Zustände wie zu Zeiten der Sklaverei. Als Gangstertochter Grace das entdeckt, ist sie empört und versucht, das Unrechtssystem mit aller Macht zu kippen. Doch sie scheitert mit ihren moralischen Vorstellungen. So weit die Geschichte, die der dänische Regisseur Lars von Trier im zweiten Teil seiner unvollendeten Amerika-Trilogie mit dem Minimalismus des Brechtschen Theaters und dem Anspruch einer Lehrfabel 2005 im Kino erzählte. „Extrem kontrovers und hoch dramatisch“, findet Hermann Schmidt-Rahmer die Vorlage und bringt „Manderlay“ auf die Bühne des Grillo-Theaters.

Gemessen an den rund 25 Jahren, die der gebürtige Düsseldorfer und inzwischen in Berlin lebende Hochschulprofessor als Regisseur unterwegs ist, beschäftigt er sich noch gar nicht so lange mit gesellschaftlich relevanten Themen. Aufführungen der hart an der Realität operierenden Gruppe Rimini Protokoll waren dafür der Auslöser. „Es ist ein anderer Impuls Theater zu machen, ob ich mich frage, an welchem Stoff arbeiten wir, oder welchen Shakespeare oder Ibsen inszeniere ich als Nächstes“, erklärt Hermann Schmidt-Rahmer. In Berlin setzte er sich mit künstlicher Intelligenz auseinander, in Wiesbaden mit dem Konflikt zwischen westlicher und islamischer Welt oder in Essen bei „Clockwork Orange“ mit Neurochirurgie als Heilmittel für Gewalttäter.

Westliche Werte gegen rückwärtige Gesellschaften

So ist „Manderlay“ ganz nach seinem Geschmack ebenso wie der provokante Kollege vom Film. „Lars von Trier besitzt einen unglaublichen Mut, bestehende Gewissheiten zu erschüttern“, meint Schmidt-Rahmer. „Ihm geht es nicht primär um einen Rassenkonflikt. Es geht um westliche Werte gegen rückwärtige Gesellschaften. Es geht um die Selbstverständlichkeit, mit der wir davon ausgehen, dass sich diese Länder nach unserem Muster entwickeln müssen. Ich habe da in erster Linie Afrika vor Augen.“

Theaterkino

In der geplanten Amerika-Trilogie von Lars von Trier ist „Dogville“ der erste Film (2003).

Theatrale Mittel nutzt er bereits da, um die Moral der Amerikaner unter die Lupe zu nehmen: Die Schutz suchende Hauptfigur Grace wird zwar in dem Ort Dogville aufgenommen, ihr Dank aber gnadenlos ausgenutzt.

„Dogville“ wird zu den Grillo-Aufführungen von „Manderlay“ am 2. Juni, 20.15 Uhr, im Astra gezeigt. Karten: 27 55 55.

Premiere hat „Manderlay“ am Sonntag, 27. April, 19 Uhr, im Grillo. Karten: 81 22 200.

Ebendort hat er „Manderlay“ angesiedelt. „Die Bühne ist voll von farbigen Menschen“, berichtet er und meint doch Puppen, die menschliches Schicksal offenbaren. Entworfen wurden die 70 Figuren aus braunen Plastikkanistern und Kleiderbügeln von Ausstatter Thomas Goerge, der bereits mit dem verstorbenen Theatermacher Christoph Schlingensief am Operndorf in Burkina Faso mitgearbeitet hat. Sie sind mal Chor, mal stumme Masse, mal Gegenüber für sechs Schauspieler.

Bei der Dramatisierung des Drehbuches, das sich mit langen Erzählpassagen und 30 Rollen nicht auf Anhieb für das Theater eignet, hat sich der 53-Jährige weitgehend an die Vorlage gehalten. Wenig wurde weggenommen, nichts hinzugefügt. Zu wichtig ist ihm, den „unauflösbaren Konflikt des Stoffes“ zu erhalten. „Der Zuschauer soll nicht belehrt werden, sondern selbst Position beziehen“, sagt er. Nach einem „Blick in den Abgrund moralischer Schwächen“ gar nicht einfach.