Essen. Regisseurin Konstanze Lauterbach bezieht im Grillo-Theater mit Euripides „Medea“ politisch Stellung. Dafür trägt sie Patina ab und ergänzt Sätze wie die von Heiner Müller. „Wir erzählen die Geschichte über den Schmerz der Figur.“
Konstanze Lauterbach lässt nicht locker. Sie bleibt gern an Themen oder Autoren dran. Bei „Graf Öderland“, den sie im Grillo-Theater auf die Bühne brachte, war das so, bei „Medea“ ist es nicht anders. Vor zehn Jahren inszenierte sie in Bremen bereits die Neufassung von Hans Henny Jahnn, wie sie findet „die radikalste, weil sie in die Gedärme geht“. Nun wendet sie sich in Essen dem antiken Text von Euripides zu – nicht ohne ihn politisch zu betrachten und von mancher Mythos-Schicht zu befreien.
Die Regisseurin kommt von der Probe und hustet. Was an dem Staub liegt, den herunterfallende Steine zwischen goldenem Vorhang und einer Baustelle aufwirbeln. Der Reiz der ewig heutigen „Medea“, die seit rund 2400 Jahren unzählige Künstler inspirierte, hat auch sie gepackt: Wir befinden uns in Korinth, wohin die Königstochter wegen Liebe zum Feind Jason und Hochverrat fliehen musste. Nun im Exil hat sie nichts mehr. Keine Familie, keine Heimat, keinen Mann. Der hat sich zur Tochter des herrschenden Königs Kreon aus dem Staub gemacht. Medea ist als gefürchtete Ausländerin von der Abschiebung bedroht. Die kluge wie zornige Frau sieht als Ausweg nur die Rache, die selbst ihre Kinder einschließt, um sie vor dem Feind zu schützen.
„Wir erzählen die Geschichte über den Schmerz der Figur“
Diese Vernichtung auf ganzer Linie wird vor allem getragen von den beiden Hauptdarstellern, die Konstanze Lauterbach aus anderen Arbeiten vertraut sind: Thomas Büchel als Jason und Janina Sachau als Medea. Sie sollen das Unfassbare nachvollziehbar machen. „Wir erzählen die Geschichte über den Schmerz der Figur, der sich nicht beruhigen kann“, erklärt sie. „Wenn wir einsteigen, ist Medea schon zermürbt und rennt mit dem Kopf gegen die Wand. Sie will den Ehebruch nicht hinnehmen. Sie will nicht nur eine Sprosse auf der Leiter des Ruhms ihres Mannes sein. Es ist ein Geschlechterkampf auf dem Boden eines Kulturkonflikts“, bringt Konstanze Lauterbach den Ansatz ihrer Inszenierung auf den Punkt, die die Unterdrückung der Frau und Fremdenfeindlichkeit herausstreicht.
Die Produktion
Zum künstlerischen Team gehören neben Konstanze Lauterbach u.a. Ann Heine (Bühne) und Achim Gieseler (Musik).
Es spielen u.a. Janina Sachau, Thomas Büchel, Ines Krug, Jan Pröhl, Floriane Kleinpaß und Jörg Malchow.
Die Premiere am Freitag, 28. Februar, ist ausverkauft. Die nächsten Termine: 7. und 15. März. Kartenreservierung unter: 8122 200
Gestrafft und verknappt hat sie den Stoff auf eine Stunde vierzig Minuten ohne Pause. „Euripides hat mehr Firnis, der abgetragen werden muss“, meint Konstanze Lauterbach. Zugleich ergänzt sie ihn durch Sätze aus unterschiedlichen „Medea“-Bearbeitungen, wie die von Heiner Müller, Hans Henny Jahnn, Ovid oder aus „Mamma Medea“. Sie machen die glücklichen Momente deutlich, meist jedoch die kritischen: „Ausländer lieb ich nicht“, sagt Kreon. Und Medea zürnt: „Heute ist Zahltag, Jason.“ So einen Satz könne man nicht überhören, betont sie.
"ich hatte den nötigen Ehrgeiz für den Beruf"
Starke weibliche Figuren wie diese, „voll aufbauender und zerstörerischer Kraft“, begleiten Konstanze Lauterbach seit fast 30 Jahren. „Die Potenziale einer Frau interessieren mich“, sagt sie. Mit fast 60 Jahren gehört sie einer Generation an, in der man Regisseurinnen noch an einer Hand abzählen konnte. „Man braucht Durchsetzungsvermögen. Und ich hatte den nötigen Ehrgeiz für den Beruf“, erzählt sie.
Beides brachte Konstanze Lauterbach aus der thüringischen Provinz nach Leipzig, Berlin oder Wien. Warum nicht auch an einen Ort, wo sie die Cherubini-Oper „Médée“ realisieren kann? „Das würde noch mal eine ganz andere Dimension in meine Arbeit bringen“, bemerkt sie. Ein Hinweis auf ihren Wunsch lässt sich schon jetzt bei „Medea“ entdecken.