Essen. Folkwang-Ausstellung „Theater für die Straße“ zeigt Plakate aus 25 Jahren Aalto-Geschichte. Sie erinnern an gefeierte Inszenierungen, frühe Skandale und große Erfolge . Unvergessene Entwürfe von Johannes Grützke und Roland Topor.
Meistersinger treffen Meistermaler: Als Dietrich Hilsdorf 1988 zur Eröffnung des Aalto-Theaters Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ inszenierte, da fand seine Arbeit in der Kunst von Johannes Grützke eine seltene Entsprechung. Vereint in der Wucht und Ausdrucksstärke, setzten die beiden ein plakatives und nicht unumstrittenes Start-Zeichen für das neue Opernhaus. Die Inszenierung ist seit Jahren vom Spielplan verschwunden, das Plakat hängt heute noch in mancher Wohnstube oder ist vielen zumindest im Gedächtnis geblieben. Die Kraft der Bilderbotschaft hat den Tag überdauert. Zeit also für einen neuen Blick aufs „Theater für die Straße“, das sich tagtäglich vor unseren Augen abspielt. Zum 25-jährigen Aalto-Jubiläum hat die Deutsche Plakatsammlung im Museum Folkwang die Auswahl Essener Exponate mit Beispielen aus anderen Städten und Jahrzehnten ergänzt – zu sehen sind 85 Theaterplakate vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Man begegnet einer Kunst im Wandel. Denn bei aller Liebe zur ungebrochenen Kreativität setzt auch beim Theater-Plakat das Corporate Design irgendwann das entscheidende Zeichen. Aus dem kreativen Allerlei, das neben Künstlern wie Johannes Grützke in den Anfangsjahren auch berühmte Zeichner wie Roland Topor oder der bekannte Bühnenbildner Johannes Leiacker geprägt haben, erwächst das gestaltende Einerlei. Die verschiedenen Handschriften hatten sich über die Jahre nicht wie erhofft zum Aushängeschild des Aaltos verdichtet, „dafür hätte man die Künstler länger ans Haus binden müssen“, sagt heute Berger Bergmann, Geschäftsführer der Theater und Philharmonie (TuP).
Die bunten Hunde des Werbe-Boulevards
Doch wer die Arbeiten der Anfangsjahre jetzt noch mal im Museum betrachtet, Leiackers „Don Carlos“-Strichmännchen mit dem frechen Linien-Genital oder sein bestechend einfaches „Trovatore“-Zündholz, der wird wohl bedauern, dass in den 90ern das Diktat der klaren Botschaft die ästhetische Regie übernahm, eine Mischung aus blau gerahmten Szenenbild und Werk-Information, das den Wiedererkennungswert gegen den Aha-Effekt eintauschte.
Performances vor Plakaten
Die Ausstellung „Theater für die Straße. Plakate für das Theater“ ist bis zum 15. Juni im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, zu sehen. Öffnungszeiten: di bis so 10-18 Uhr, fr bis 22 Uhr. Eintritt 5 (erm. 3.50 Euro).
Öffentliche Führungen gibt es am 23. März, 6. und 20. April, 4. und 18. Mai sowie am 1. und 15. Juni, jeweils 12 Uhr. Die Teilnahme ist kostenfrei mit Eintrittskarte. Der Katalog (Edition Folkwang Steidl) kostet 20 Euro.
Performances vor Theaterplakaten finden am 14. März, 4. April und 30. Mai, jeweils 18 Uhr, statt. Schauspielerin Katja Heinrich und Cellist Florian Hoheisel haben Programme zum ,Werther’ oder ,Hoffmanns Erzählungen’ erarbeitet.
Dabei waren Theaterplakate schon immer die bunten Hunde auf dem Werbe-Boulevard, die nicht „kauf mich“ riefen, sondern: „Schau mich an.“ Wer heute Plakate fürs „Folies Bergère“ in Paris betrachtet, mag erahnen, welche sinnenfreudige Aufmerksamkeit diese Kunst 1898 erntete.
Das „Theater für die Straße“
„Plakate hatten damals keine visuelle Konkurrenz“, sagt René Grohnert, Leiter des Deutschen Plakatmuseums. Heute seien sie meist nur noch Teil einer Kampagne, eine Momentaufnahme. Plakate werden nicht mehr gelesen, sie werden assoziiert“, weiß Grohnert,
Im Aalto wird das „Theater für die Straße“ seit Jahren aber wieder kreativer und bunter. In den guten gestalterischen Händen von Feride Yaldizli gelingt immer wieder das Kunststück, den gemeinsamen Auftritt der verschiedenen Sparten zumeist in der Verbindung von Fotografie und Grafik zu einem individuellen Ereignis werden zu lassen. Und die Ermunterung des Katalog-Beitrags, in Zukunft noch etwas mutiger zu sein, will Berger Bergmann nicht ungehört lassen.