Essen. Nach knapp 100 Tagen im Amt legt Geschäftsführer Oliver P. Kuhrt eine abgespeckte Planung zum Umbau des Ausstellungsgeländes vor. Es setzt auf die gleiche Glasfassade, weniger Abriss – und findet überall Zustimmung.
„Keine Messe um jeden Preis“, hinter dieses Motto scharten sich am 19. Januar 66.066 Essener – und damit eine knappe Mehrheit beim Bürgerentscheid. Damals stand eine auf Kante genähte „Ertüchtigung“ des Ausstellungsgeländes für 123 Millionen Euro netto im Raum, jetzt ist daraus eine abgespeckte Variante für 79 bis 88,5 Millionen Euro geworden. Und unausgesprochen liegt die Frage an die Bürgerschaft im Raum: Wäre dieser Preis denn okay?
Von den im Messe-Aufsichtsrat versammelten Politikern kam dazu Am Dienstag ein klares Ja: Auch Grüne und Linke, die mit einer betont kritischen Haltung zur Messe den Entscheid erst angezettelt und unterstützt hatten, machten den Weg für den schlankeren Entwurf frei.
Der soll das Ausstellungsareal aufmöbeln, ohne allzu sehr auf den Putz zu hauen. Dazu gehört, die zweigeschossigen Messehallen 8 und 9 am Nordrand des Komplexes genauso wie Halle 5 abzureißen. Die alte Halle 6 wird nach Norden erweitert und eine neue stützenfreie Halle östlich daneben errichtet. Die „Galeria“ bleibt stehen und auch das Messehaus Ost.
Gläserne Fassade
Dem auswärtigen Besucher und Aussteller präsentiert sich die „neue“ Messe dennoch mit einem Hingucker: Die gläserne Fassade soll aus dem 123-Millionen-Euro-Plan ebenso übernommen werden wie das verbesserte Foyer und das weit auskragende Dach, das die Gäste künftig trockenen Fußes von der U-Bahn-Station in die Messe laufen lässt.
Der Grugapark bleibt unangetastet, die neue Nordfassade, auch sie gläsern, soll wie gehabt maximal bis zum Ende der jetzigen Treppenhäuser reichen. Die unterirdische Anbindung an die Grugahalle ist vom Tisch, die Brücke bleibt erhalten, wird aber transparent gestaltet.
Nach ersten Schätzungen schlägt die abgespeckte Neubau-Variante mit reinen Baukosten von etwa 56,7 Millionen Euro zu Buche. Anders als bei der ersten Variante kommen nun verschiedene Sicherheitspuffer hinzu – für Vermessung, Prüfstatik, Genehmigungsgebühren, Brandschutzgutachten, Altlasten-Risiken, Baupreissteigerung und Unvorhergesehenes.
Zwei Drittel der bisher veranschlagten Kosten
Das Investitionsvolumen wird darum unterm Strich mit 79 bis 88,5 Millionen Euro netto taxiert. Das sind gut zwei Drittel der bisher veranschlagten Kosten.
Doch während hier die Kosten sinken, steigen sie an anderer Stelle: Schon jetzt, so betonte gestern Oberbürgermeister Reinhard Paß, gebe es als Folge der über Jahre verzögerten Neubau-Planung einen gestiegenen Zuschussbedarf: Statt der bisher veranschlagten 13,5 Millionen Euro liege der nun bei durchschnittlich 15,5 Millionen Euro pro Jahr. Tendenz eher steigend.
Auch darum dränge die Zeit: Bis Juli soll die Politik endgültig den Segen geben, um 2016 den Bau beginnen zu können.
Ausstellungsgeschäft wirtschaftlicher organisieren
Parallel dazu will Messe-Chef Oliver P. Kuhrt das Ausstellungsgeschäft an der Norbertstraße wirtschaftlicher organisieren. Bis zum Jahresende sollen belastbare Vorschläge auf dem Tisch liegen.
Auch das Neugeschäft der Messe will Kuhrt ankurbeln: Die Möglichkeit dazu sieht er „vor allem bei Veranstaltungen, die sich aus der Kooperation mit Tagungen in den Bereichen Energie, Gesundheit und Mobilität ergeben“. Auch so genannte Spin-offs, also ausgelagerte Spezialthemen aus erfolgreichen Messen, seien denkbar.
Ebenso zeigt sich die Messe nach Kuhrts Worten „offen für die Kooperation mit anderen Messegesellschaften“. Dabei geht es nicht nur um die gemeinsame Nutzung etwa von Vertriebsbüros im Ausland, sondern auch um Gastveranstaltungen der Messe Essen an anderen Messeplätzen. Dadurch ginge zwar die so viel gelobte Umwegrendite verloren, aber nicht die Messe selbst.
Mit solchen Blicken in die Zukunft nahm Kuhrt gestern auch Kritiker für sich ein. Ein ganz neues Messegefühl in Essen.