Essen. Der Essener Michael Beisermann hat acht Jahre die Volksschule besucht. Bei Karstadt machte der gelernte Einzelhandelskaufmann Karriere. Als Beisermann Frührentner wurde, nahm er sich, als es ihm gesundheitlich besser ging, vor, seine Bildung nachzuholen. Als Gasthörer an der Uni Duisburg-Essen.
Michael Beisermann lacht, erzählt, seine Haare seien ein wenig länger als früher. Weshalb Freunde von ihm feixten, ob er jetzt „auf Student mache“. Und überhaupt – was er, in seinem Alter, noch an der Uni wolle. Beisermann nimmt solche Sticheleien selbstbewusst, gibt zur Antwort: „Da hole ich jetzt meine Bildung nach.“
Acht Jahre hat der gelernte Einzelhandelskaufmann die Volksschule besucht, „wie das früher hieß“. Heute, als Frührentner, ist er Gasthörer an der Universität, sitzt in Hörsälen, Seminaren. Auch jetzt im Sommersemester.
Zeit sinnvoll gestalten
„Meine Schulbildung war einfach. Weniger ging nicht“, sagt Beisermann. Seine Eltern hatten einen Lebensmittelladen in Essen. „Da musste ich als Kind schon viel mithelfen, mich beim Vater abmelden, wenn ich spielen wollte.“ Höhere Schulbildung war daheim kein Thema. Beisermann junior hat in einem Feinkostgeschäft der Stadt seine Lehre gemacht, wechselte später zu Karstadt in die Lebensmittel-Abteilung – und machte dort Karriere.
Wurde in der Essener Hauptverwaltung schließlich Assistent der Verkaufsleitung, plante für die Warenhauskette in ganz Deutschland neue Lebensmittel-Abteilungen. Dann wurde er krank und Frührentner. Als sich Michael Beisermann wieder besser fühlte, nahm er sich vor, seine freie Zeit sinnvoll zu gestalten.
Vor drei Jahren meldete er sich zum ersten Mal als Gasthörer an der Uni an. In diesem Semester interessiert er sich für zwei theologische Veranstaltungen – die Schöpfungslehre und Gott als Thema im Religionsunterricht. Warum? „Weil es spannend ist. Auch wenn ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin.“ Und der Dozent gefalle ihm so gut, „ein toller Typ, der sich auch in der Philosophie auskennt“. Dann wird Beisermann noch eine Veranstaltung zu den Grundlagen der Sozialpolitik besuchen. „Da erfährt man, auf was unser Sozialstaat fußt – vom Gesundheitssystem bis hin zur Familienpolitik, Daten, Fakten!“
„Fernsehen brauche ich nicht“
Hier gibt’s das Gasthörer-Verzeichnis
Die Universität Duisburg-Essen hat für das Sommersemester, das gestern begonnen hat, wieder interessante Veranstaltungen für Gasthörer zusammengestellt. Etwa zum Ersten Weltkrieg, zur Sozialpolitik, zur Ökologie oder zur Lust und Liebe in den Religionen.
Das Gasthörer-Programm kann man online abrufen.
Gedruckte Exemplare gibt es kostenlos in den Heine-Buchhandlungen und in den Uni-Bibliotheken beider Campi, Essen und Duisburg. In Essen können die Pförtner im Gebäude R12 und in der Uni-Außenstelle Schützenbahn angesprochen werden. Außerdem ist das GasthörerVerzeichnis im Uniklinikum Essen am Haupteingang erhältlich. Der Gasthörerschein kostet 100 Euro.
Wer sich das Gasthörer-Verzeichnis schicken lassen will, muss einen mit 1,45 Euro frankierten Rückumschlag schicken an: Universität Duisburg-Essen, Sabine Salewski, Dezernat 3, 45117 Essen.
An der Uni, sagt der 62-Jährige, könne er seinen Horizont erweitern, seine Neugierde stillen, neue Themen kennenlernen. Eine Möglichkeit, die ihm Essen biete. „Das wäre anders, wenn ich auf dem Land leben würde.“ Die jungen Leute, zwischen denen er im Hörsaal sitzt, könnten seine Enkel sein. „Mir macht das Spaß. Ich bin gerne mit denen im Gespräch.“
Beisermann ist Mitglied bei „Lebenslanges Lernen“. Ein Verein zur Förderung des Studiums im fortgeschrittenen Alter an der Uni Duisburg-Essen. Der stellt für seine Mitglieder für jedes Semester interessante Veranstaltungen zusammen. „Hier habe ich auch neue Freundschaften geschlossen. Das ist schön“, betont Beisermann. Seit acht Jahren hat er kein Fernsehen mehr. „Brauche ich nicht.“