Essen. Hans-Jürgen Schrag (65) baute die Essener Oschatz-Gruppe zum international agierenden Unternehmen auf. Nach 20 Jahren Geschäftsführung übergibt er die Firma zum 1. April an die nächste Generation - aber in Schritten.

Hans-Jürgen Schrag hatte Respekt vor diesem Tag, aber keine Furcht. Vor wenigen Tagen ist der geschäftsführende Gesellschafter der Oschatz-Gruppe 65 Jahre alt geworden. Zeit, die Geschäftsführung an seinen Sohn Jan-Christopher zu übergeben, wie er fand. Die Umzugskartons im Chefbüro sind gepackt, aber weit muss Schrag sie ohnehin nicht tragen. „Ich beziehe mein Berater-Büro gleich gegenüber“, lächelt er verschmitzt.

Es soll ein schleichender Übergang werden, so hat es sich der Senior gewünscht. „Aber ich wollte auch nicht der Patriarch sein, der mit 80 noch an seinem Sessel klebt“. Jan-Christopher (39) und später auch Sohn Tim (35) sollen langsam in die Verantwortung wachsen. Beide arbeiten bereits im Unternehmen, das sich im Kraftwerksbau spezialisiert hat. „Wir machen jetzt einen Rollentausch“, sagt der gebürtige Pfälzer und bemüht ein Bild: „Das ist wie bei der Weinlese. Bislang haben die Arbeiter die Trauben auf meinen Wagen geschüttet und ich musste die guten von den schlechten trennen. Das wird jetzt mein Sohn machen und ich schaue ihm dabei über die Schulter.“

„Das war eine riesige Bürde“

Aus seinem Mund klingt das alles rational. Doch Schrag ist mit viel zu viel Herzblut Unternehmer, als dass ihm dieser Schritt leicht fiele. Vor 20 Jahren übernahm er die Geschäftsführung. Schrag baute die Firma aus zu einem Global Player, die sich neben der Kraftwerkstechnik auch auf die Abkühlung von Gasen spezialisierte, die in den Anlagen zur Erzeugung von Stahl, Zink, Blei, oder Kupfer entstehen.

Als er begann, zählte Oschatz 130 Beschäftige, heute sind es 1400. Seit 1996 fertigt die Firma in der Türkei, seit 2006 in China. Oschatz zählt zwölf Tochterfirmen auf drei Kontinenten. In den Hallen am Westendhof wird so gut wie nichts mehr produziert. Man fertigt dort, wo die Kunden sind und das ist zunehmend der asiatische Raum. In Essen sitzt noch die Verwaltung, der Vertrieb und die Entwicklung mit zusammen rund 200 Mitarbeitern.

In die Fußstapfen des Vaters

Zwei Drittel des Jahres verbringt Schrag im Ausland, jettet im Flieger um die Welt. Wie er das schafft? „Ich habe zum Glück die seltene Gabe, im Flugzeug schlafen zu können.“ Schrag wollte aus dem väterlichen Betrieb einen Konzern schmieden. Was die Internationalität anbelangt, ist ihm das gelungen. Aber er sagt auch: „Wir werden nie das Verhalten eines Konzerns annehmen, denn wenn es nur noch um Zahlen geht, und niemand mehr weiß, was sich dahinter verbirgt, dann ist das der Tod eines jeden Unternehmens.“

Schrag hätte sich selbst einen Übergang ins Unternehmen gewünscht, wie er ihn jetzt für seine Söhne plant. Als er 20 Jahre alt war, starb sein Vater. Hans Schrag hatte die Kesselbau-Firma 1948 in Mannheim neu gegründet und war 1951 nach Essen umgesiedelt, weil er sich im Herzen der zerbombten Stahlindustrie gute Geschäfte erhoffte. Am Sterbebett versprach Hans-Jürgen Schrag seinem Vater, dass er in dessen Fußstapfen treten werde. „Das war eine riesige Bürde für mich“. Schrag, der damals Psychologie studierte und Kinderarzt werden wollte, ging nach Aachen und schrieb sich im Fach Maschinenbau ein. Größer hätte der Bruch kaum sein können. „Aber ich fühlte, dass ich das meinem Vater schuldig war.“

Alle Abteilungen durchlaufen

Später durchlief der promovierte Maschinenbau-Ingenieur alle Abteilungen. („Ich war der teuerste Konstrukteur, den Oschatz je hatte“). Dafür, so sagt er, kann ihm heute keiner ein X für ein U vor machen. 38 Jahre Erfahrung, die er seinen Söhnen nicht von heute auf morgen entziehen will. Aber kürzer treten werde er trotzdem. Es soll künftig etwas mehr Zeit im Strandkorb auf Sylt oder im Wohnhaus in Garmisch-Partenkirchen bleiben, das seit vielen Jahren Hauptwohnsitz des passionierten Skifahrers ist.

Und er will auch etwas mehr Zeit für seinen Weinberg an der Mosel haben, den er sich vor drei Jahren „gegönnt“ hat. „50 Prozent für die Firma, 50 privat. Mal sehen, ob mir das gelingt.“