Essen. . Die Stadt Essen wird aus Wettbewerbsgründen den Liefervertrag mit den Stadtwerken zum 30. April 2015 fristgerecht kündigen. Die Stadt glaubt, ohne die Stadtwerke günstiger an die benötigten rund 133 Mio. Kilowattstunden Erdgas zu kommen. Der Verbrauch der Stadt macht 4,6 Prozent des Gasabsatzes aus.

„Wir sind Zuhause“ – das Marketing der Stadtwerke sollte sich zumindest beim Erdgas demnächst auf eine gewisse soziale Kälte in den eigenen vier Essener Wänden einstellen. Die Stadt jedenfalls wird den seit beinahe ewigen Zeiten geltenden Liefervertrag mit der eigenen Stadttochter zum 30. April 2015 fristgerecht kündigen.

Schon bei der Ratssitzung in der vergangenen Woche hatte die zuständige Dezernentin Simone Raskob angekündigt, den Fraktionen noch vor Ostern die neue Einkaufsroute beim wichtigsten städtischen Energieträger vorzustellen. Und die hält nach NRZ-Informationen keinen Platz mehr vor für das heimische Unternehmen im internationalen Gasgeschäft. Eine neuerliche Vergabe an die Stadtwerke, so heißt es aus städtischen Kreisen, würde auch gegen geltendes EU-Wettbewerbsrecht verstoßen.

133 Millionen Kilowattstunden Erdgas

Die Stadt glaubt ohnehin, ohne die Stadtwerke künftig billiger an die benötigten rund 133 Millionen Kilowattstunden Erdgas zu kommen, die man für Schulen und Verwaltungsgebäude, für Kulturhäuser und Jugendheime, für die Immobilien der städtischen Töchter und vieles mehr allein im Jahr 2012 benötigte.

So soll ab April 2015 die städtische Verkehrs- und Versorgungs-Holding EVV an der Leipziger Gasbörse „eex“ das Erdgas in Tranchen einkaufen. Damit verhindert die Stadt einerseits, das Geschäft europaweit auszuschreiben zu müssen – und bündelt gleichzeitig den Energiehandel bei der EVV, die in Leipzig bereits seit 2012 den Strom besorgt.

Details des Systemwechsels werden verhandelt

Die EVV wird auch beim Gas Millionenbeträge umsetzen: Rund 8,2 Millionen Euro gab die Stadt 2012 für Erdgas aus – das sind etwa 35 Prozent der gesamten städtischen Energiekosten. Das Börsengeschäft, so die Hoffnung, soll diesen Betrag zumindest nicht weiter steigen lassen, im optimalen Fall könnten die Ausgaben sogar schrumpfen – wenn nicht gerade die Ukraine-Krise dazwischen grätscht.

Die Details des Systemwechsels werden aktuell zwischen der EVV und der Stadt verhandelt. Darin geht es auch um Einkaufsfragen: Wann wird an der Börse gekauft? Mit welchen Laufzeiten und Kündigungsfristen? In welchen Preisspannen?

Bisher keine Stellungnahme der Stadtwerke

Mit einem Verbrauch von rund 133 Millionen Kilowattstunden stellt die Stadt Essen eine veritable Größe im Kundenkreis der Stadtwerke dar: Gemessen am Gasabsatz von circa 2.872 Millionen Kilowattstunden im Geschäftsjahr 2012 sind dies gut 4,6 Prozent des Gasabsatzes.

Offiziell war am Mittwoch noch keine Stellungnahme der Stadtwerke zu bekommen. Bei dem zu 51 Prozent städtischen Tochterunternehmen ist man sich aber schon seit der Marktöffnung bewusst, dass der Wind des Wettbewerbs zunehmend rauer weht: „In letzter Konsequenz müssen wir uns diesem Schönheitswettbewerb stellen“, formuliert es ein Kenner der Materie – wohl wissend, dass die Gewinnmarge im Gasgeschäft schon mal üppiger ausfiel.

Lokaler Versorger für die Region

In der Zentrale an der Rüttenscheider Straße versucht man dagegenzuhalten, künftig übrigens auch mit einem Einkaufsverbund, der die klassischen Verträge mit dem Energieriesen Eon und der Frankfurter Gas-Union ergänzt.

Dabei preist man sich als lokaler Versorger aus der Region für die Region an. Und zeigt sich irritiert darüber, dass die Stadt die erst vor wenigen Monaten eingestielte Wir-Gefühl-Kampagne mit ihrem Vorstoß womöglich konterkarieren könnte.

Rathaus wird mit Fernwärme geheizt

Denn fraglos sähe es etwas eigenartig aus, wenn die Stadtwerke örtliche Verbundenheit predigen und die klamme Stadt ihr Erdgas andernorts einkauft. Die Stadtwerke dürften dabei nicht zuletzt ihr Gewicht als Sponsor vielfältiger Aktivitäten in die Waagschale werfen – sei es im Breitensport, in Schulen oder hie und da auf kulturellem Gebiet. Nach NRZ-Informationen gibt die Stadttochter weit über eine halbe Million Euro aus, um das Image des heimischen Versorgers zu pflegen – und die gezielte Vergabe von Bau-Aufträgen vorzugsweise ans örtliche Handwerk ist da noch nicht einmal eingerechnet.

Gleichwohl: Ein „Weiter so“ mit dem alten Vertrag kann es aus Wettbewerbsgründen eh nicht geben, das wird man den Ratsmitglieder deutlich machen, wenn diese in der letzten Sitzung dieser Ratsperiode die Kündigung des Liefervertrages absegnen. Das Rathaus ist dafür neutrales Terrain, denn dort heizt man – mit Fernwärme.