Essen. Nach dem Milliardenverlust setzt der Essener Energieversorger RWE wieder verstärkt aufs immer noch profitable Kunden- und Netzgeschäft. In der Stadt Essen, in der die Konzerngeschichte begann, wird zudem eine lokale Charmeoffensive gestartet und an die Herkunft erinnert.

An diesem Freitag enthüllt der Energiekonzern RWE an seinem Standort an der Altenessener Straße eine Geschichts-Tafel. Der Ort ist natürlich mit Bedacht gewählt, schließlich liegen dort und im Umfeld die Wurzeln des Unternehmens, das 1898 als Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk gegründet wurde. Hier steht das ehemalige Direktionsgebäude der umliegenden Zechen und hier baute RWE auf dem Gelände der einstigen Zeche Victoria Mathias sein erstes Kraftwerk.

Dass RWE mit dieser Tafel nun an seine Herkunft erinnern will, mag zunächst wenig aufregend klingen. Wenn es nicht vor allem Sinnbild der neuen Geschäftspolitik des Konzerns wäre, der im vergangenen Jahr erstmals seit mehr als 60 Jahren in die roten Zahlen gerutscht ist. RWE verdient mit seinen Kraftwerken immer weniger Geld. Der Ausbau der erneuerbaren Energien macht dem Unternehmen zu schaffen, er selbst ist bei dem Thema zu spät dran.

Netze und Vertrieb im Fokus

Deshalb besinnt sich RWE nun wieder vermehrt auf seine alten Stärken, und die liegen im Geschäft vor Ort mit lokalen Kunden und mit dem Betrieb der Netze. Ein RWE-Insider bestätigt: Das Geschäft spielt nicht mehr am Opernplatz – und meint damit die Konzernzentrale – sondern an der Altenessener Straße, wo unter anderem die Netzgesellschaft Westnetz sitzt.

RWE-Chef Peter Terium machte am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz aus der neuen alten Denke keinen Hehl: Vertrieb und Netze lieferten stabile Erträge auf hohem Niveau. „Dort geben wir Gas“, sagte er. In Zeiten, wo der große Sparbesen durch die Unternehmensflure wedelt, ist alles, was noch gutes Geld abwirft, umso wichtiger, auch wenn die Renditen auf diesen Feldern weit weniger üppig sind.

Verbundenheit mit Essen dokumentieren

Die Kunden rücken also wieder verstärkt in den Fokus. „Das ist ein sicheres Geschäft. Ein Geschäft, das RWE versteht. Schließlich kommt das Unternehmen aus der regionalen Versorgung“, sagt Roman Dudenhausen, Vorstand der Essener Conenergy AG, einer Beratung- und Dienstleistungsgesellschaft für die Energiewirtschaft. Entsprechend wichtig sei es für RWE, verstärkt seine lokale Herkunft zu betonen und ein dazu passendes Image zu pflegen, so Dudenhausen.

Dem dient auch die neue Werbekampagne, die RWE vor wenigen Wochen speziell in Essen gestartet hat. Sie zeigt hiesige Mitarbeiter vor historischen Gebäuden des RWE und allein der Schriftzug „Gemeinsam für Essen“ zeigt die Intention: Man will die Verbundenheit mit der Stadt dokumentieren. „Die starke lokale Herkunft steht in diesen Tagen stärker im Mittelpunkt als in der Vergangenheit“, bestätigt Sebastian Ackermann, Sprecher der Deutschland AG, die auch für den Vertrieb zuständig ist. Schließlich will RWE in Zukunft noch mehr neue Produkte wie Smart Metering – also intelligente Ablese- und Steuerungstechnologien – an Haushalte und Firmen verkaufen. Und nicht zuletzt zeigte auch der Poker um die Strom-Netzkonzession in Essen, wie stark RWE an diesem Geschäft weiter interessiert ist. Hier will man als Zugeständnis sogar die Stadtwerke mit ins Boot holen.