Essen. Erst die Baumkontrolleure, dann der Gutachter, jetzt die Forstverwaltung: Sie müssen zur Baumwert-Ermittlung ran. Fällen lassen will den städtischen Baum eine Bürgerin, laut Gutachter, den die Stadt ihr empfahl, muss sie den Wert des kranken Baumes nicht zahlen.
Die Platane vor ihrem Haus stand schon an der Hülsmannstraße, als Monika Köhnen vor 42 Jahren einzog. Seit der Nachbar aber einen Zaun errichten ließ, „kommen wir mit unseren Autos ganz schlecht aus der Einfahrt“, sagt die 66-Jährige, sie sorgt sich auch um die Sicherheit: „Im Notfall kommt die Feuerwehr nicht rein.“ Für sie steht fest: Der Baum muss weg. Die Genehmigung dafür ist wegen ihrer Argumente aus Sicht der Stadt offenbar kein Problem, was die Borbeckerin dennoch ärgert: „Ich soll den Wert eines kranken Baumes ersetzen, der laut Gutachter ohnehin hätte gefällt werden müssen.“
Die Platane ist ein städtischer Baum auf städtischem Grund. Daher wandte Monika Köhnen sich bereits 2013 an die Bezirksvertretung (BV), die stimmte mehrheitlich der Fällung samt der Kostenübernahme durch die Bürgerin zu. Diese stellte daraufhin den erforderlichen Fäll-Antrag bei Grün & Gruga. „Sie haben mir Gutachter empfohlen, um den Restwert des Baumes zu ermitteln.“ Das tat sie.
„Ich komme nicht weiter“
Im Gutachten stehen jetzt 738 Euro, das sind 50 Prozent, weil die Platane „von einem Pilz befallen ist und in zwei bis vier Jahren hätte gefällt werden müssen“. Genau deshalb besage das Gutachten auch, „dass ich durch Kostenübernahme für die Fällung - ca. 1500 Euro - samt Beseitigung der Wurzel, den Rückbau des Baumbeetes und der Oberflächenherstellung, für den Baumverlust nicht mehr aufkommen muss“, sagt Monika Köhnen – hat die 738 Euro dennoch bezahlt, weil sie um ihre Fällgenehmigung fürchtet: „Ich komme nicht weiter.“ Der Gärtner stehe für längst fällige Arbeiten mit Container vor dem Haus und komme nicht in den Garten, sagt sie und fühlt sich von der Stadt unter Druck gesetzt.
Wenn ein Bürger städtische Bäume fällen lassen will
Grundsätzlich werden bei Baumfällungen im Stadtgebiet die Bezirksvertretungen mit eingebunden, sagt Stadt-Sprecher Stefan Schulze zum Vorgehen, das auch greift, wenn Bürger städtische Bäume fällen lassen.
Die brauchen dafür aber eine Begründung wie etwa die Verkehrssicherheit. Anders als im geschilderten Fall aber sollte der Antrag erst an Grün & Gruga gehen. Kosten für Baumwert und Fällung trägt der Antragsteller.
Die erklärt: Zum Zeitpunkt, als die BV zustimmte, „gab es aus Sicht städtischer Baumkontrolleure keinen Hinweis auf eine Erkrankung des Baumes, die zur Fällung hätte führen müssen“, so Stefan Schulze. „Da der Baum aber leicht geschädigt war, wurde der Wert verringert, so dass von der Antragstellerin neben den eigentlichen Baumfällkosten noch der Restwert zu tragen ist.“ Bei der Feststellung dieses Restwertes sei der Gutachter dann zum anderen Ergebnis als die Stadt gekommen, sprich zu stärkerem Pilzbefall. Doch auch eine Massaria-Pilzerkrankung erfordere nur bei fehlender Standsicherheit die Fällung, gibt Schulze zu bedenken.
Weiterer Ortstermin angekündigt
Nach der WAZ-Anfrage kündigte die Stadt einen weiteren Ortstermin am morgigen Mittwoch an. Dann begutachtet die städtische Forstverwaltung den Baum. Danach werde entschieden, ob die Rechnung über den Baumwert angepasst werden müsse und ob dies Auswirkung auf die Kosten der Fällung habe. Vielleicht erhält Monika Köhnen also ihr Geld zurück. Dass es die volle Summe sein wird, glaubt Schulze nicht. Der Baum sei ja nicht wertlos, weil er möglicherweise nur noch vier Jahre hätte stehen können.