Essen-Stadtwald. Auf dem Land sind Baum-Fällungen eine „Ordnungsmaßnahme“, in der Stadt „Zerstörung“: Roland Haering leitet die Baumpflege bei Grün & Gruga und weiß um die Emotionalität des Themas – aber auch, wie wichtig regelmäßige Kontrollen und Wieder-Aufforstungen sind.
Roland Haering ist Essener, hat Forstwirtschaft und Ökologie studiert und ist Abteilungsleiter Baumpflege bei Grün und Gruga. Man könnte den Forstingenieur auch „Herr der Bäume“ nennen. Die grünen Riesen genießen in Essen besondere Aufmerksamkeit. Es gibt immer wieder Aufschreie, wenn ein Baum verschwindet. „Das Thema Baumfällen können Sie nicht positiv besetzen. Das ist, wie wenn ein Tier erschossen wird. Aber es gibt Gründe, sich von einem Baum zu trennen. Die erklären wir“, sagt Haering. Versuchen wir es.
Herr Haering, haben wir ein besonders emotionales Verhältnis zu Bäumen?
Roland Haering: Ja, ich war als Kind im Schellenberger Wald, da gab es Schau-Fällungen. Alle waren fasziniert, da steckt viel Emotionalität drin. Wobei: Auf dem Land wird das Baumfällen als Ordnungsmaßnahme begriffen. In der Stadt ist von Zerstörung die Rede. Bürger kämpfen für Bäume und verfolgen, wie wir, grüne Ziele.
Wenn Ihre Abteilung Bäume fällt, werden Sie oft angegangen.
Unser System ist ja transparent. Und wenn es schnell geht, das Fällen und Aufräumen, gibt es auch kaum Beschwerden. Und wir verknüpfen die Säge mit der Pflanzung. Gefällte Bäume werden meist im selben Baumbeet nachgepflanzt, allein 600 in 2013. Das Nachpflanzen kann aber dauern. Wir müssen europaweit ausschreiben, können nicht zu jeder Zeit pflanzen. Da kann ein Baum, der jetzt verschwindet, erst im Frühjahr 2015 nachgepflanzt werden.
Es gibt auch Zeitgenossen, zu deren Baum kann die Säge nicht schnell genug kommen. Besonders unbeliebt sind Platanen.
Die wurden früher gerne gepflanzt, sind groß und alt geworden und stadtbildprägend. Aber unter ihnen liegen im Herbst ständig nasse Blätter. Da entwickelt sich beim Bürger Wut. Und die erreicht auch uns. Bei Platanen beobachten wir in die Massaria-Krankheit, einen Pilz. Sie sind aber nicht unser Sorgenkind: Das ist die Rosskastanie. Durch eine Erkrankung kann es passieren, dass 80 Prozent unserer Kastanien verloren gehen.
Die Bürger klagen oft über Baumwurzeln, die Gehwege aufwellen.
Der Baum wurde irgendwann klein gepflanzt. Jetzt ist er groß geworden. Und hätte er Beine, würde er flüchten. Er hat zu wenig Platz, im Sommer nicht genug Feuchtigkeit, Autos parken an ihm. Die Rahmenbedingungen sind schlecht. Deshalb brauchen Stadtbäume Pflege. Genauso sind wird für die Verkehrssicherung zuständig. Legt ein Baum Bodenplatten um, wird es zu eng und der Aufwand zu groß, dann wird er entfernt.
Zweite große Bürger-Beschwerde sind Äste, die Dächer beschädigen.
Diese Fälle schauen wir uns an. Allerdings können wir nicht beliebig von der Krone wegschneiden, wie es die Bürger gerne hätten, ohne dass der Baum gesundheitlich Schaden nimmt. Manchmal kommen wir auch zu spät, dann haben Blätter oder Äste schon Kontakt. Wir versuchen Arbeiten in Stadtteilen zu bündeln. Rüttenscheid, Altendorf und Frohnhausen sind dicht besiedelt, es gibt Parkdruck und kaum Termine.
Freut es Sie denn, wenn es nach dem Herbst mit viel Laub und losen Ästen im Winter ruhiger um die Bäume wird?
Ach, ich glaube viele Essener haben den Herbst als schöne Angelegenheit erlebt. Die Wetterlage mit den Verfärbungen der Blätter. Die Älteren genießen es, die Kinder haben im Laub gespielt. Da sind wir wieder bei der Emotionalität. Es wäre schade, wenn den Bürgern die Bäume egal wären. Dann könnten Politiker einfach so entscheiden. Bäume steigern die Lebensqualität, Parks und viel Natur sind wichtig. Warum sind so viele Firmen am Grugacarree? Warum ist Thyssen-Krupp im grünen Park?
Herr Haering, wie viele Mitarbeiter kümmern sich um die Bäume?
Wir haben 40 Planstellen, von denen 24 besetzt sind. Die Differenz versuchen wir mit Geld auszugleichen, in dem wir Aufgaben, wie das Einrichten von Baustellen, vergeben. Wo wir arbeiten müssen, werden wir auch tätig. Bei anderen Sachen hängen wir etwas hinterher. Es ist ja bekannt, dass die Stadt in einigen Bereichen etwas unterversorgt ist.
Wie viel Baumkontrolleure haben Sie?
Es sind sieben Kontrolleure. Sie haben mindestens alle drei Jahre jeden der 190 000 Bäume außerhalb des Waldes in Essen gesehen. Allerdings gibt es auch Bäume, wie rund um Kitas, die wir in erheblich kürzeren Intervallen anschauen. Unsere Baumteams sind jeden Tag unterwegs. Wir haben zudem eine 24-stündige Rufbereitschaft für Notfälle.
Wie werden die Bäume bei Ihnen erfasst?
Wir haben ein Informations-System. Da beschreiben wir den Zustand jedes Baumes und können sofort Auffälligkeiten erkennen. Danach werden individuelle Kontrollintervalle für die Straßen festgelegt. Ein Beispiel: Die Bäume an der Wilhelm-Nieswandt-Allee in Altenessen sind jung und vital. Da müssen wir nicht ständig vorbeilaufen.