Essen. Im Essener Stadtgebiet stehen rund 188 000 Bäume. Die Mitarbeiter von Grün & Gruga überprüfen sie fast täglich auf ihre Verkehrssicherheit. Kastanien, Platanen und Pappeln zählen zu den Sorgenkindern. Eine bestimmte Pappelsorte verliert ab einem gewissen Alter unvermittelt Äste und wird dadurch zur Gefahr für Fußgänger und Autofahrer.

Erst die Platanen, dann die Pappeln und die Kastanien – die Problemfälle unter Essens 188.000 Bäumen halten Grün & Gruga mächtig auf Trab. Inzwischen ist ein speziell ausgebildeter Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, die Pappeln zwischen Kettwig und Karnap zu kontrollieren. Die Bäume haben die gefährliche Eigenschaft, unvermittelt größere Äste abzuwerfen. Selbst gesunde Bäume neigen ab einem gewissen Alter dazu. Ärger hat die Stadt auch mit den Kastanien, die von einem Pilz befallen sind, der die Stabilität der Bäume gefährdet.

Mit einem Baum sei es halt wie mit einem Menschen, erzählt Arne Thun. Ist er verletzt oder alt, wird er anfällig für Krankheiten. „Manchmal müssen wir einen Baum fällen – die Verkehrssicherheit hat oberste Priorität“, sagt der städtische Landschaftsgutachter. Thun und neun Mitarbeiter von Grün & Gruga kontrollieren täglich den Bestand. Etwa alle neun Monate kommt ein Baum an die Reihe. Alleine im Falle der Platanen wurden im vergangenen Jahr so 11.000 gefährdete Standorte ermittelt.

Gelber Punkt am Baum bedeutet: Für die Axt freigegeben

„Wenn wir Bäume kontrollieren, dann beziehen wir auch die Umgebung mit ein und bewerten das Risiko für den jeweiligen Standort,“ berichtet Lars Schlüter, Gärtner und Leiter der „Baum-Kontrolleure“ bei Grün und Gruga. Bis zu 350 Bäume überprüft jeder Mitarbeiter täglich, momentan arbeitet das Team in Katernberg, Schonnebeck, Leithe und Kray. Ist ein Baum nicht mehr zu retten, bekommt er einen tennisballgroßen gelben Punkt aufgemalt und wird damit für die Axt freigegeben. Entlang der Bottroper Straße sind zurzeit 40 Bäume markiert – dass Straßenbild wird sich verändern.

Dennoch betont Landschaftsgutachter Thun, dass es dem Baumbestand insgesamt in der Großstadt Essen gut gehe: „Wir sind eine grüne Stadt mit etwa 50 verschiedenen Baumsorten. Wenn wir Bäume fällen, dann machen wir das nicht einfach so – das Ganze hat schließlich auch eine wirtschaftliche Komponente.“ Bis zu 1000 Euro kostet es, einen Baum zu fällen, etwa 500 Euro kostet die Nachpflanzung. „Bis auf wenige Ausnahmen, werden die Bäume ersetzt“, sagt Thun. In den meisten Fällen kann man die Bäume aber durch Pflege retten. Trotz Massariabefall musste bislang keine Platane gefällt werden. „Wir kontrollieren die befallenen Bäume weitaus häufiger – etwa alle vier Monate – und nehmen die Äste mit Massaria-Pilz direkt raus.“ Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Durch den erhöhten Lichteinfall geht der Pilz zurück. Offenbar verträgt er keine Sonne.

Problematischer seien die Kastanien, die von einem relativ neuem Bakterium befallen sind, dass unglücklicherweise Wind und Regen übertragen: Pseudomonas. Die Bäume verlieren sehr schnell Laub und Vitalität – dies ruft häufig einen weiteren Parasit auf den Plan. „Oft siedelt sich dann der Samtfußrübling an – ein Pilz, der das Holz in kürzester Zeit abbaut und dadurch die Bruchfestigkeit enorm verringert,“ erklärt Arne Thun. Auf der Barkhovenalle in Heidhausen gab es eine zusammenhängende Gruppe von Kastanien – etwa 40 Stück. „Die mussten leider alle gefällt werden“, berichtet der 58-Jährige. Dass Pseudomonas ein sehr großes Problem für die Verkehrssicherheit ist, bestätigt auch Gärtner Schlüter, zu dessen Aufgaben es gehört, die Bruchsicherheit der Bäume abzuschätzen.

Pappel ist eigentlich in Auenlandschaften beheimatet

Schwierig gestaltet sich auch die Situation der Pappeln. Ab einem gewissen Alter verlieren die Bäume sommergrüne Äste – sie fallen einfach ab, wodurch bereits Menschen verletzt wurden. „Eigentlich ist das gar keine Krankheit“, erklärt Arne Thun. „Es gehört zur Vermehrungsstrategie der Pappeln.“ Viele der Bäume wurden in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg gepflanzt – die Sorte zählt zu den schnellwüchsigsten Bäumen in Europa und war damals leicht zu beschaffen. Eigentlich ist die Pappel jedoch in Auen beheimatet, wo herabfallende Äste keine Gefahr darstellen. „Betroffen sind die sogenannten Hybridpappeln in einem Alter von etwa 40 bis 50 Jahren. Wann die Äste abfallen, ist nicht vorhersehbar“, so Thun. Mit der aktuellen Rechtsprechung in der Sache ist der städtische Baumpfleger allerdings nicht glücklich: Da die Kommune für die Folgen haftet, mussten bereits mehr als 1500 eigentlich gesunde Bäume gefällt werden.