Der Vater zog für seinen Kaiser in diesen "dämlichen Krieg"
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Essen. Tagebücher und alte Feldpostbriefe - in vielen Familien werden Erinnerungen an den Großvater aufbewahrt. Viele Leser haben sich nach unserem Aufruf in der Redaktion gemeldet. Sie alle helfen mit, ein neues Kapitel zum Ersten Weltkrieg aus lokaler Sicht aufzuschlagen. Auszüge aus den Zuschriften.
Ich bin 80 Jahre alt und kann von meinem Vater (Jahrgang 1888) erzählen. Nun, er zog auch „Feuer und Flamme“ für seinen Kaiser in diesen dämlichen Krieg. Vordergründig gesehen ging’s ihm eigentlich gold. Er hatte den Vorteil, dass er an der Westfront, also auch in Frankreich, in seinem Unterstand durch Artillerieeinwirkung nur verschüttet wurde.
Gewiss, er trug einige Verwundungen davon, an Kopf, Beinen, Armen, aber der weitere Vorteil ist, dass damit der Krieg für ihn passé war und er in der nun folgenden Gefangenschaft Französisch lernen konnte.
Von den Französischkenntnissen des Vaters profitiert
Von seinen Französischkenntnissen hat nicht nur mein Bruder profitiert. Ausgestattet mit diesen sprachlichen Vorteilen konnte er im Zweiten Weltkrieg bei französischen Bauern einkaufen. Ich selbst brachte es mit Hilfe meines Vaters in Französisch auf eine Drei im Abschlusszeugnis der Mittelschule Essen-Süd.
Auch zwei französische Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs haben von der unfreiwilligen Sprachbildung meines Vaters profitiert. Er konnte sich mit ihnen verständigen und sie vor der Abschiebung in ein Konzentrationslager bewahren, was ein Parteibonze vorhatte, weil diese Männer ein Paar Schuhe geklaut hatten. Leider kann mein Bruder keine weiteren Erlebnisse meines Vaters oder von sich selbst schildern: Er ist dann 1943 in der Ukraine von einer sowjetischen Artilleriegranate zerfetzt worden.
Während der glorreichen Kriegsteilnahme meines Vaters starben zu Hause in Altenessen seine Ehefrau im Kindsbett, wenig später auch das Zweitgeborene. Die Zeiten waren damals nicht besonders vorteilhaft, schon gar nicht für Mitglieder von Bergmannsfamilien.
Damit nicht genug, erkrankte seine Erstgeborene, die sich in der Obhut seiner Schwiegermutter befand (die neben ihrem kranken Manne eine vielköpfige Familie zu versorgen hatte) an Scharlach und einer Nasendiphterie, die zu einer unheilbaren Schwerhörigkeit führte.
Schwester mit Hörfehler wurde sterilisiert
Wollen Sie mehr wissen? Meine Erfahrung ist, man will es nicht wissen! Ich schreibe es trotzdem und versuche, trotz aller Bitternis nicht zu langatmig zu werden. Meine Schwester, genau genommen meine Halbschwester, kam wegen des Hörfehlers in der Schule nicht mit, nicht einmal in der Hilfsschule.
Die Nazis brachten ein „Rassenreinhaltungsgesetz“ zur Anwendung, auch „Erbgesundheitsgesetz“ genannt. Deutsche Mediziner, Ärzte, nicht einmal Parteimitglieder, lieferten solche Menschen wie meine Schwester „ans Messer“. Sie bescheinigten Hunderttausenden Schwerhörigen und ähnlich Kranken, dass sie „schwachsinnig“, „schizophren“ seien. Meine Schwester wurde 1936 sterilisiert. In einem evangelischen Krankenhaus. Sie ist 2012 gestorben, wäre gerne 100 Jahre alt geworden. Was man ihr angetan hatte, hatte sie (vielleicht) vergessen. Ich hoffe, Sie mit den Kriegserlebnissen des Großvaters meiner Söhne nicht gelangweilt zu haben!
Essen im Ersten Weltkrieg
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Ein Sohn erfüllt den Wunsch seines gefallenen Vaters
Ludger Hicking-Göbels erinnert sich an seinen Urgroßvater, der im Ersten Weltkrieg fiel:
Mein Urgroßvater, von Beruf Maschinist im damals noch eigenständigen Wasserwerk der Villa Hügel, fiel als einfacher Soldat am Ende des Ersten Weltkriegs 1918, als Vater von vier Kindern. Er erlitt einen Beindurchschuss und verblutete. Sein Grab liegt in Belgien.
Meine Urgroßmutter erhielt damals neben dem Dank des Kaisers und Vaterlands seine Taschenuhr zurück. Sonst nichts. Diese Uhr, nach fast 100 Jahren, hängt heute noch hier neben dem Kamin. Auch haben wir noch zwei kleine Soldatenfiguren, er schnitt sie in Kalkstein während der Stunden, Tage im Schützengraben, während eines Fronturlaubs brachte er sie seiner Familie mit.
Weihnachten 1918 bei der Familie Krupp in der Villa Hügel
Sein Sohn, mein Großvater, wurde als damals Zwölfjähriger und nun Halbwaise neben anderen Kindern Weihnachten 1918 von der Familie Krupp auf die Villa Hügel eingeladen. Weniger von den Krupps und den Geschenken angetan, begeisterte er sich in erste Linie für die glänzenden Uniformen und Harnische der Feuerwehrleute, die den enormen Weihnachtsbaum im Auge behalten mussten.
Er selber, Hubert Göbels, wurde dann doch kein Feuerwehrmann, sondern, dem Wunsch seines gefallenen Vaters entsprechend - dieser hatte bei einem Fronturlaub seiner Frau gesagt „ Hubert soll Lehrer werden... „ - Lehrer, später Schulrat und Professor, Dr. hc. der Gesamthochschule Uni Essen, und erster Rektor der damaligen Pädagogischen Hochschule Essen.
Der Großvater hat die Heiterkeit im Krieg verloren
Soldat Johann Büse (Jahrgang 1885) ist der Großvater von Leserin Ursula Busch. Sie besitzt eine prachtvolle Postkarte mit dem Foto ihres stattlichen Großvaters und schreibt:
„Zur Zeit des 1. Weltkriegs war er Vater von fünf Kindern. Sein jüngster Sohn Hans verstarb Ende des Krieges an Lungenentzündung und Unterernährung. Er soll vor dem Krieg ein heiterer, oft zu Scherzen aufgelegter Mann gewesen sein und kam natürlich völlig desillusioniert aus dem Krieg zurück.“
Alte Feldpostkarten und Fotos aus dem Ersten Weltkrieg
Leser Knut Räppold aus Essen schreibt:
Drei Feldpostkarten und ein Foto aus der Zeit von 1914-18 habe ich in meinen Dokumenten gefunden. Es handelt sich um zwei Feldpostkarten, geschrieben vom Vater meiner Tante (auf dem beigefügten Foto der Mann links). Die Schrift ist natürlich in Sütterlin und zudem teilweise noch mit Bleistift geschrieben, da ist das Lesen nicht so einfach.
Eine der Feldpostkarten ist vom 12. September 1915, die zweite vom 18. Juli 1916. Die Wohlfahrtskarte vom Deutschen Roten Kreuz ist zu seinem 30. Geburtstag ins Lazarett gesendet worden, er wurde 1916 verwundet.
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