Essen/Duisburg. . Der Auftrag kommt aus dem Innenministerium: Die Polizei Essen soll den Kampf gegen kriminelle Rockerbanden an Rhein und Ruhr koordinieren. Eine „Besondere Aufbauorganisation“ leitet nun alle Ermittlungen im eskalierenden Rockerkrieg – auch die zur Ermordung des Duisburger Hells Angels Kai M. (33).
Die Sicherheitsbehörden schlagen als Reaktion auf den eskalierenden Rockerkrieg an Rhein und Ruhr einen Sonderweg ein: Das Innenministerium hat das Essener Polizeipräsidium vorige Woche damit beauftragt, die Ermittlungen aller Fälle an Rhein und Ruhr fortan zu leiten und zu koordinieren – auch im Fall des ermordeten Duisburger Hells Angels Kai M. (33).
„Besondere Aufbauorganisation“ (BAO) nennt die Polizei eine solche Stabstelle, „die bei besonderen Lagen alle Informationen aus anderen Einsatzabschnitten bündelt und das Vorgehen koordiniert“, erklärt Wolfgang Beus, Sprecher des Innenministeriums. Zu den räumlichen „Einsatzabschnitten“ des Essener Stabes zählen entsprechend und auf Dauer nun beispielsweise auch Duisburg, Oberhausen und der Niederrhein beziehungsweise die dort ermittelnden Kommissionen und Experten in Sachen „Outlaw Motorcycle Gangs“ (OMCG).
Zusammenhänge zwischen mehreren ungeklärten Verbrechen
Dass (verdeckte) Ermittler, Einsatz- und Kommissionsleiter anderer Behörden an einen Einsatzleiter an der Büscherstraße berichten, wirft auch ein Licht auf den Stand der Ermittlungen: Die Experten in Landeskriminalamt (LKA), Düsseldorfer Ministerium und Präsidien vor Ort sehen Zusammenhänge zwischen mehreren Gewalttaten in der seit 2012 von Verteilungskämpfen und Überläufern geprägten Szene. Unaufgeklärt sind in der Region noch mehrere bekannt gewordene Attacken:
Der Konflikt zwischen Hells Angels und Bandidos eskalierte öffentlich am 24. Februar 2013, als Unbekannte kurz nach einem Vorfall auf der Konrad-Adenauer-Allee (B 223) in Oberhausen.Stekrade 13 Kugeln auf einen BMW abfeuerten. Ein Duisburger Hells Angel (23) überlebte zwei Bauchschüsse.
Ebenfalls in Oberhausen wird nach einem Scharmützel im Centro am 10. November 2013 ein Bandidos-Mitglied (25) angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Die Aufklärung dieses Anschlags war ohnehin bereits Aufgabe einer in Essen angesiedelten Mordkommission.
Deren Duisburger Kollegen versuchen seit dem 4. Februar aufzuklären, wer den Hells-Angels-Rocker Kai M. (33) tötete, dessen Arm postmortal abtrennte und in den Rhein warf. M.s Leiche wurde bislang nicht gefunden. Ein Spezialeinsatzkommando hatte einen Tatverdächtigen – nach Medienberichten in Mülheim – festgenommen und wieder gehen lassen müssen. Nach Informationen der Bild-Zeitung soll der Mann eine frisch gestochene Tätowierung tragen, die Höllengel nur Mitgliedern gestatten, die einen Kontrahenten ums Leben gebracht haben. Kai M. wollte angeblich von den Höllenengeln zu den Bandidos überlaufen.
Polizei Essen führt fortan auch bei Razzien im Rockermilieu Regie
Die BAO habe ihre Arbeit als Revier-Zentrale zur Bekämpfung krimineller Rockergangs „mit großem Personalaufwand aufgenommen“, erklärt Peter Elke, Sprecher der Polizei Essen/Mülheim. „Dazu werden auch Experten der anderen Präsidien einbezogen.“ Die sind in den vergangene Tagen oft auch persönlich ins Präsidium geeilt, um sensible Nachrichten nicht telefonisch oder schriftlich übermitteln zu müssen. Den Austausch zwischen den Polizeibehörden habe es zur Rockerkriminalität schon früher gegeben, so Elke, „wir hoffen aber, dass wir jetzt noch schneller und effizienter kommunizieren.“
Dass Essen die Koordinierungaufgabe übernimmt und nicht etwa das Präsidium in der „Rocker-Hauptstadt“ Duisburg, erklärt Wolfgang Beus aus dem Innenministerium vor allem mit den organisatorischen Rahmenbedingungen: Das Essener Präsidium ist – neben den anderen „Hauptstellen“ in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Münster und Dortmund – eines von sechs in NRW, in dem ständige Stäbe eingerichtet sind: „Die können Großeinsätze ganz anders vorbereiten.“ Auch bei Razzien und Kontrollen im Rockermilieu zwischen Krefeld und Essen führt deshalb künftig die Essener BAO Regie. Zudem, so Beus, sei die Polizei Essen von den Behörden an Rhein und Ruhr die größte und jene, die „personell am ehesten in der Lage ist, diese Aufgabe zu stemmen.“
Revierkämpfe in Mülheim, Duisburg und Oberhausen – meist Ruhe in Essen
Eine ähnliche Aufgabe wie die Polizei Essen übernahm in NRW zuletzt die Polizei in Münster: Sie führte die Maßnahmen gegen Hells Angels und Bandidos 2009 landesweit an. Kurz zuvor, am 8. Oktober, hatte in Duisburg Hells-Angels-Rocker Timur A. seinen Erzfeind, den Bandido Eschli Elten (32) erschossen. In der Folge hatten sich die verfeinden Banden Massenschlägereien geliefert und Sprengstoffanschläge auf Vereinsheime verübt. Damals feuerten Unbekannte in Essen auch Schüsse auf das „Bandido”-Clubheim an der Wüstenhöfer Straße im Stadtteil Bochold ab.
Bandidos-Party
Die Polizei Essen/Mülheim war zuletzt neben der Aufklärung des Anschlags von Oberhausen vor allem mit Revierkämpfen der Rockerbanden in Mülheim beschäftigt: Hells Angels hatten den Bandidos ihr Stammrevier dort streitig gemacht. Essen selbst blieb bislang von Revierkämpfen wie in den Rotlichtvierteln von Duisburg und Oberhausen verschont. In Essen machen dem Bandidos MC und dessen Unterstützerclubs keine anderen Rocker Konkurrenz. Drohgebärden werden aber auch dort immer wieder bekannt: Mitte Juli 2013 feuerten Unbekannte Schüsse auf das Vereinsheim der Bandidos an der Wüstenhöferstraße ab.