Essen. . Zwar geht die Jugendkriminalität in Essen leicht zurück, jedoch werden die Täter immer jünger. Die Behörden wollen Zwölf- bis 14-Jährige stärker in den Blick nehmen. Bei einem 13-Jährigen, der nach etlichen Überfällen vor kurzem in ein Heim gesteckt wurde, scheint Hopfen und Malz verloren zu sein.
Das gemeinsame und konsequente Vorgehen der Essener Behörden gegen die Jugendkriminalität auf den Straßen dieser Stadt ist ein zunehmend erfolgreiches: Ermittelte die Polizei im Jahr 2012 noch 4719 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, ist die Zahl der unter 21 Jahre alten Tatverdächtigen im vergangenen Jahr um vier bis Prozent gesunken. Das sagt einer, der es wissen muss: „Die Jugendkriminalität ist nicht weiter angestiegen“, stellte jetzt Kriminalhauptkommissar Martin Kielbassa, Chef der Ermittlungsgruppe Jugend, in einem Gespräch mit der NRZ fest.
Der Unterschied sei auf den ersten Blick zwar minimal, doch der Trend zeige in die gewünschte Richtung, auch wenn eine aktuelle Statistik der Stadt einen anderen Eindruck erwecken mag: Danach ist die Zahl der so genannten Mehrfachtäter, die innerhalb eines Jahres mehr als fünf Straftaten begangen haben, von 157 in 2012 auf 178 im vergangenen Jahr gestiegen. Kielbassa allerdings sieht darin keinen Widerspruch zu seiner eigenen Einschätzung. Unter der Überschrift „Mehrfachtäter“ finden sich schließlich auch Jugendliche wieder, die fünf Mal beim Schwarzfahren erwischt worden sind, ansonsten aber eine weiße Weste haben. Über die Qualität der Kriminalität auf den Straßen, Wegen und Plätzen dieser Stadt oder die tatsächliche Verunsicherung der Bevölkerung durch das Treiben junger Banden, die inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden sind, sage diese Statistik wenig aus.
85 Elf- bis 21-Jährige im Intensivtäter-Programm der EG Jugend
Da hilft schon eher ein Blick in das Intensivtäter-Programm der EG Jugend, in dem zurzeit 85 Elf- bis 21-Jährige mit dem Ziel betreut werden, sie von der schiefen Bahn zu holen, auf die sie geraten sind, weil sie nicht nur vor Abziehereien Gleichaltriger nicht zurückschrecken. Selbst bewaffnete Raubüberfälle und Körperverletzungen gehen auf das Konto sogar der jüngsten unter ihnen. Kielbassa hat sich seine Pappenheimer des vergangenen Jahres einmal genauer angeschaut – und kam zu einem Ergebnis, das sich sehen lassen kann und die Erwartungen, mit denen die Ermittlungskommission vor sechs Jahren an den Start gegangen ist, übertrifft: 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus dem Intensivtäterprogramm begehen keine Straftaten mehr, 30 Prozent wurden ein bis drei Mal rückfällig und 26 Prozent fielen mehr als drei Mal auf. 14 Prozent allerdings wanderten in Haft. Doch unterm Strich heißt Kielbassas Fazit: Mindestens die Hälfte der jungen Straftäter haben der Kriminalität erst einmal entsagt.
Bei einem 13-Jährigen jedoch, der nach einer Vielzahl von bewaffneten Überfällen erst vor wenigen Tagen in ein Heim gesteckt wurde, scheint Hopfen und Malz verloren zu sein: Der junge Spätaussiedler büxte aus und machte munter dort weiter, wo er unfreiwillig aufhören musste. Am Donnerstag bedrohte er am hellichten Tag an der Hafenstraße in Vogelheim einen 16-Jährigen mit einem Stechbeitel und erbeutete dessen Handy. Jetzt landete er wieder in der Jugendhilfeeinrichtung. Lange wird er es dort kaum aushalten. Doch die Polizei hat ihn unter Beobachtung: In vier Monaten wird der Junge 14. Dann ist er strafmündig und sehr wahrscheinlich ein Fall für den Jugendrichter.
„Kriminelle Karrieren beginnen immer früher“
Um derartige Biografie-Basisbrüche zu vermeiden, wollen Polizei, Stadt, Jugendgerichtshilfe und Familiengericht künftig den Fokus stärker auf die Zwölf- bis 14-Jährigen legen, kündigte Jugenddezernent Peter Renzel jetzt ein Mehr an Prävention an, „weil sich risikohafte Entwicklungen in dieser Altersgruppe deutlich abzeichnen“. Kielbassa sagt’s so: „Kriminelle Karrieren beginnen immer früher.“