Essen. Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger in Essen ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das Jobcenter verhängte in über 9900 Fällen Strafen. Ein Anwalt kritisiert das Amt: Sanktionen gebe es häufig wegen kleinster Verstöße.

Das Jobcenter Essen hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Strafen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt. Wie die Behörde auf Nachfrage mitteilte, sprach sie insgesamt über 9900 Sanktionen aus. Das heißt: In diesen Fällen wurde den Arbeitslosen aus diversen Gründen das Arbeitslosengeld gekürzt. Je nach Alter des Betroffenen und Art des Verstoßes kann das Jobcenter das Hartz-IV-Geld drei Monate lang bis zu 100 Prozent kürzen.

Die Zahl der verhängten Strafen ist damit gegenüber dem Vorjahr um rund 50 Prozent gestiegen. Allerdings sei der Vergleich zwischen beiden Jahren nur bedingt möglich, sagte eine Sprecherin. Denn 2012 hatte die Stadt Essen die Regie über das Jobcenter übernommen. „Der Fokus unserer Arbeit 2012 lag auf der Sicherstellung von Leistung und Vermittlung“, erklärte sie. Gemeint sind die immensen Übergangsprobleme, mit denen das Jobcenter 2012 kämpfte.

Mehr Angebote an Arbeitslose

Dennoch liegen die Sanktionszahlen 2013 ebenfalls deutlich über denen im Jahr 2011. Zum einen, so die Sprecherin, gebe es mittlerweile mehr Menschen in der Stadt, die Hartz IV beziehen. Ende vergangenen Jahres waren das 61 200 erwerbsfähige Arbeitslose. Zum anderen habe man den Arbeitslosen 2013 auch mehr Arbeitsangebote machen können. Entsprechend deutlicher werde, wer gewillt ist, zu arbeiten.

Dem größten Teil wurde das Geld gekürzt, weil sie sich nicht an Meldefristen oder -termine gehalten haben. Jedem achten erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger strich das Amt die Leistungen allerdings zusammen, weil er sich entweder weigerte, einen Job anzunehmen bzw. fortzuführen oder weil er sich nicht so um Arbeit bemühte, wie mit dem Jobcenter vereinbart. Gerade Jugendliche seien schwer zu erreichen, so die Sprecherin, entsprechend häufig würden sie bei Meldeversäumnissen sanktioniert.

Anwalt: „Radikale Sanktionen“ für kleinste Verstöße

Der Hartz-IV-Anwalt Jan Häußer berichtet, dass sich bei ihm immer mehr Jugendliche melden, die bei kleinsten Verstößen vom Jobcenter mit „radikalen Sanktionen“ belegt wurden. Häufig ohne Prüfung des Einzelfalles, wirft er dem Amt vor. „In den Schreiben stehen meist vorgefertigte Textbausteine“, so Häußer. Bei unter 25-Jährigen seien Sanktionen jedoch besonders schwerwiegend. Ihnen kann die Behörde das Arbeitslosengeld drei Monate lang zu 100 Prozent streichen, wenn sie sich nicht genügend bemüht haben.

Die Sprecherin des Jobcenters weist die Kritik zurück. Fördern und Fordern seien Bestandteil des Hartz-IV-Gesetzes. „Wir machen das nicht zum Selbstzweck sondern auf Gesetzes-Basis“, sagte sie. Wer nachweisen könne, dass die Sanktion ungerechtfertigt war, „bei dem nehmen wir sie auch zurück“.