Essen. Trübe Bilanz am Ausbildungsmarkt: Die Essener Unternehmen stellten dieses Jahr weniger Azubis ein. Vor allem im Handwerk sind gute Bewerber rar. Die Kreishandwerkerschaft beklagt den Trend zum Studieren.

Schlechte Aussichten auf dem Ausbildungsmarkt: Zum Ende des diesjährigen Ausbildungsjahres suchen in Essen immer noch 245 Jugendliche eine Lehrstelle. Das sind mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. „Wir müssen leider feststellen, dass wir nicht für jeden Bewerber ein Angebot hatten“, sagte der Chef der Essener Arbeitsagentur, Torsten Withake, am Mittwoch bei der Vorlage der Ausbildungs-Bilanz. 96 Ausbildungsstellen sind momentan noch frei. „Aber was jetzt noch übrig ist, passt mit den Bewerbern nicht zusammen“, so Withake.

Trotz aller Klagen über den drohenden Fachkräftemangel haben die Unternehmen weniger Azubis eingestellt. Vor allem das Handwerk – letztes Jahr noch im Plus – schwächelt. Mit 739 neuen Ausbildungsverträgen liegt das Handwerk dieses Jahr sechs Prozent unter dem Vorjahr. „Es ist seit vielen Jahren das gleiche Problem: Bis das Handwerk mit seinem Lehrstellenangebot auf den Markt kommt, sind die guten Bewerber längst weg“, sagt Ulrich Meier, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Viele Handwerksbetriebe seien es mittlerweile leid und würden lieber gar nicht mehr ausbilden, obwohl sie Bedarf hätten. Er ist überzeugt, dass viele Lehrstellenangebote deshalb unbesetzt geblieben sind.

IHK erreicht „rote Null“

Das Handwerk beklagt auch einen Trend zur Überakademisierung. Viele Kinder würden von ihren Eltern zum Abitur gedrängt und anschließend zum Studium, so Meier. Dabei biete das Handwerk gute Entwicklungschancen.

Withake stellte fest, dass der doppelte Abiturjahrgang – anders als erhofft - am Ausbildungsmarkt so gut wie keine Spuren hinterlassen hat: „Wer Abitur hat, will lieber studieren“. Seine Kritik: „Es gibt Gymnasien, die sich einer dualen Berufsberatung versperren, weil sie auf dem Standpunkt stehen, dass sie ihre Schüler nur auf die akademische Laufbahn vorbereiten.“ Namen nannte er allerdings nicht.

Etwas besser als im Handwerk fällt die Bilanz der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus. „Wir haben die rote Null erreicht, können damit aber nicht zufrieden sein“, sagt der zuständige Geschäftsführer Hans Michaelsen. Heißt: Mit 2734 abgeschlossenen Lehrverträgen liegen die IHK-Firmen nahezu auf Vorjahresniveau. Doch die Aussichten schätzt Michaelsen verhaltener ein: Noch hätten sich die angekündigten Stellenabbau-Programme großer Essener Konzerne wie RWE, Evonik oder Thyssen-Krupp nicht auf die Ausbildungszahlen ausgewirkt. „Aber ich befürchte, das kommt noch“, so Michaelsen.