Essen. Die Stadtarchäologie Essen stellt im Rathaus-Foyer bemerkenswerte Funde des letzten Jahres aus. Exponate und Texttafeln laden ein zu einem Streifzug durch bald 10.000 Jahre Essener Stadtgeschichte. In der Industriearchäologie ist Essen führend in Deutschland.
Sie gehörte einst zu Omas gemütlicher Küche wie der emaillierte Küppersbusch-Herd mit Kohlenschublade: die kobaltblau-bemalte „Muckefuck“-Kanne aus grauem Westerwälder Steinzeug. In der Ausstellung „Stadtarchäologie 2013“ zählt die Westerwälder Kaffeekanne zu den Highlights - und auch Bürgermeister Rudolf Jelinek kann ihren hervorragenden Rang in der Alltagskultur des Ruhrgebiets aus eigener Erfahrung bestätigen: „Die Muckefuck-Kanne - die stand auch bei meiner Oma immer auf dem Herd.“
Zusammen mit steinzeitlichen Scherben und Keilen, Holzresten aus der Ur-Lembecke und Porzellanköpfchen sowie Resten der mittelalterlichen Stadtmauer gewähren die Funde aus der Neuzeit einen aktuellen Einblick in das facettenreiche Schaffen der Stadtarchäologie. Jedes Jahr im Januar - inzwischen zum 19. Mal - stellt Stadtarchäologe Detlef Hopp im Foyer des Rathauses eine repräsentative Auswahl an Fundstücken aus. Kleine Kostbarkeiten, die die Essener Erde mitunter Jahrtausende lang verborgen gehalten hat.
Bemalte Porzellanpfeifen oder tönerne Seltersflaschen
2013 zählt archäologisch zu den eher guten Jahrgängen. „Spannende Puzzleteile wurden hinzufügt“, frohlockt Jelinek, der auch das 25-jährige Wirken Hopps hervorhebt. „Dass Essen in Deutschland führend in der Industriearchäologie ist, ist sein Verdienst.“
Virtuelle Reise durch das Revier auf ruhrzeiten.de
Die Stadtarchäologien Essen, Dortmund und Duisburg arbeiten eng zusammen - auch im Internet. Die gemeinsame, von Google Earth unterstützte Plattform ruhrzeiten.de zeigt markante Ruhrgebietsorte in faszinierenden 3-D-Modellen.
Stadtarchäologe Detlef Hopp informiert auf der Homepage www.essen.de regelmäßig über Funde des Monats.
Gefunden wurde die Muckefuck-Kanne übrigens in der „Grünen Mitte“ nahe dem Berliner Platz. Ein Ort, an dem nach 1870 die Mietskasernen der benachbarten Kruppwerke aus dem Boden schossen - übrigens vielfach auf Fundamenten aus Bruchsteinen der abgerissenen mittelalterlichen Stadtmauer.
Vitrinen im Rathaus-Foyer
Die Vitrinen im Rathaus-Foyer zeigen weitere überraschende Alltags-Gegenstände jener stürmischen Boom-Epoche, in der das beschauliche Ackerbürgerstädtchen zum industriellen Herz des Reiches aufstieg: Senftöpfchen für „Original Düsseldorfer Mostert“ etwa, aufwändig bemalte Porzellanpfeifen oder auch tönerne Seltersflaschen. „Bohnenkaffee kam in die Muckefuck-Kanne meistens nur sonntags“, berichtet der „Krayer Junge“ Hopp.
Stolz ist der Stadtarchäologe auch auf eine Scherbe, die über 7000 Jahre in Heisinger Lehm schlummerte. Eine Rarität, wie sich herausstellen sollte. „Sie wurde in der Steinzeit getöpfert und mit dreieckigen Mustern verziert.“
Streifzug durch fast 10.000 Jahre Stadtgeschichte
Hopps Jahresschau, abgerundet durch Texttafeln, bietet einen unterhaltsamen Streifzug durch fast 10.000 Jahre Stadtgeschichte. Er reicht von den ältesten bisher entdeckten Gräbern in der City (Kettwiger Straße) über vorgeschichtliche Funde in Kettwig (Bachstraße) bis zu einem Teilstück der Stadtmauer (I. Dellbrügge). Immer wenn in Essen gebaggert und gebaut wird, ist die Stadtarchäologie zur Stelle. Als die Fundamente des Hörsaalzentrums gelegt wurden, entdecken die Forscher in fünf Meter Tiefe eine mächtige Seekreide-Ablagerung: ein Beleg für das Bachbett der Ur-Lembecke und für 9670 Jahre Besiedelung. „Die Stadtarchäologie“, sagt Detlef Hopp, „trägt wesentlich zur Geschichtsschreibung Essens bei.“