Essen. Der WDR hat in seiner Reihe „Heimatabend“ ein Filmporträt über Essen gedreht: eine bewegende Reise durch die Stadtgeschichte ab 1940. Bei der Premiere auf Zollverein wurden Erinnerungen an Bill Haley-Konzerte und Idole wie Helmut Rahn wieder wach. Ausstrahlungstermin ist am Freitag.
„Wenn die Stadt Essen ein Königreich wäre, wäre die Villa Hügel ihr Palast”, sagt Mutter Beimer und Essener Kind Marie Luise Marjan mit ehrfürchtiger Stimme, während sich der einstige Sitz der Familie Krupp über die gesamte Leinwand erhebt: Schon die erste Szene des WDR-Heimatabends transportiert die Aussage des Films: Essen ist die heimliche Hauptstadt des Reviers. Und ohne Krupp hätte sie diese bis heute gültige Auszeichnung wohl nie erlangt.
Wer hat bloß entschieden, das historische Rathaus abzureißen?
Für die Vorführung der 45-minütigen Dokumentation, die von einigen Zuschauern später als Hommage an die Stadt gelobt wird, hätten sich die Filmemacher kaum eine bessere Örtlichkeit aussuchen können. Im Erich-Brost-Pavillon auf Zollverein, dem Symbol schlechthin für den Strukturwandel von der Kohle- und Stahl- zur Kulturmetropole, unternehmen die Filmemacher mit einigen ausgewählten Zuschauern eine bewegende Reise durch die Stadtgeschichte ab 1940.
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Am Anfang des Films steht erwartbar die Zerstörung. 16000 Bomben regnen allein auf die Krupp-Werke nieder. Essen liegt in Schutt und Asche, Zeitzeugen wie die Musikprofessorin Ilse Storb und der Ballonfahrer Raimund Dreker erinnern sich an verhängnisvolle Nächte, in denen man es nicht mal mehr in den Bunker schaffte. „Ich konnte nicht mehr“, sagt Storb.
Der Wiederaufbau und die damit einhergehenden architektonischen Fehlleistungen sorgen erwartbar für murmelnde Zustimmung im Saal. „Den müsste man heute noch erschlagen, der entschieden hat, das historische Rathaus abzureißen“, sagt der Fotograf Hennes Multhaup, der als Zeitzeuge im Film an vielen Stellen erfreulich offene Worte findet: „Das auf Zollverein ist mir heute alles zu abgehoben. Die sollten da mal lieber eine ordentliche Kneipe reinpacken, in der man ein Pils für 1,40 trinken kann. Dann hätten auch die Nachbarn was davon.“
Erinnerung an Helden wie Helmut Rahn
Am Ende ist der Heimatabend aber viel eher eine Liebeserklärung. An die Gruga, wo nicht wenige Gäste wieder Kind sind, als alte Filmaufnahmen die geliebten Robben zeigen. An die Malocher des Essener Nordens, die den wohl bekanntesten Büdchenbesitzer der Stadt, Willy Goeken, zum Original machten. An den RWE, wenn Hennes Multhaup stellvertretend für alle wehmütig an die legendäre Meisterschaft von 1955 und Helden wie Helmut Rahn zurückdenkt. An die Grugahalle, die viele der Zuschauer an ihre wilde Jugend, die 68er-Revolte und zertrümmertes Mobiliar beim Bill Haley-Konzert erinnert und Musiker Stefan Stoppok im Film zurück an seine Anfänge bringt. An die Lichtburg, die in den 1950er Jahren sogar den Glanz Hollywoods in die Stadt brachte. An den Baldeneysee, der mit unzähligen Schwimmern auf den historischen Aufnahmen so viel lebendiger wirkt als heute.
„Natürlich können wir nicht alle Facetten der Stadt zeigen. Bei Essen haben wir uns entschieden, den Ansatz der heimlichen Metropole auszuarbeiten“, sagt Filmemacher Frank Bürgin, der unzählige Stunden historisches Filmmaterial des WDR und der Essener Stadtbildstelle durchforstete. Das Resultat hinterlässt bei den Zuschauern Stolz. Und bei der Verfasserin dieser Zeilen den Wunsch, sich mit einer Zeitmaschine zurück in die 1960er zu katapultieren. Schon allein wegen der Stones in der Grugahalle.
Der Film von Frank Bürgin und Jens Tampier wird am Freitag, 8. November, um 20.15 Uhr, im WDR ausgestrahlt.