Essen. Das Haus der Essener Geschichte am Ernst-Schmidt-Platz ist für die einzelnen Bürger geschlossen. Schuld ist der Sparkurs der Stadt. Nur angemeldete Gruppenführungen sind möglich. Wer sich spontan für einen Besuch entscheidet, der wird auf den Anfang März vertröstet.

Ein Bürger wollte sich über die Historie seiner Stadt informieren und ging deshalb Anfang der Woche ins Haus der Essener Geschichte am Ernst-Schmidt-Platz 1. Dort stand er allerdings vor verschlossenen Türen. „Kommen Sie am 9. März wieder. Dann ist der Tag des Archivs. Dann haben wir offen“, sagte eine Mitarbeiterin dem verdutzten Essener.

Es ist eine Situation, die sich seit der Eröffnung Anfang 2011 häufiger zugetragen haben dürfte. Essen leistet sich zwar ein sehr schönes Haus der Geschichte, das für immerhin 6,5 Millionen Euro errichtet wurde. Aber das „Gedächtnis der Stadt“ in der ehemaligen Luisenschule bleibt für den einzelnen Normalbürger geschlossen. Wobei, eigentlich ist es eine Frage des Geldes: Lediglich Gruppenführungen sind im Haus der Geschichte möglich. Also könnte die 45 Euro, die für eine angemeldete 90-minütige Führung anfallen, auch jeder Privatmann auf den Tisch legen. Und sich dann durch die lohnende Dauerausstellung, die ein Jahrhundert Essener Geschichte beleuchtet, führen lassen.

Verantwortlich für das Museum ohne Öffnungszeiten ist der Sparkurs der Stadt. Die hat auch noch die Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr zumindest jeden Mittwoch Privatpersonen Einlass gewährten, abgezogen. Von den „festen Öffnungszeiten“, die Kulturdezernent Andreas Bomheuer bei der Eröffnung als Ziel anvisierte, ist keine Rede mehr.

„Das ist doch ein Witz: Da haben wir ein Haus der Geschichte in prominenter, zentraler Lage und keiner kommt rein“, klagt Hans Schippmann, Vorsitzender des Historischen Vereins. Der kann mit seinen Mitgliedern zwar die ein oder andere Führung stemmen, doch nicht für den Dauerbetrieb sorgen. Außerdem scheiterte ein größeres ehrenamtliches Engagement bislang am Widerstand des städtischen Betriebsrates..

Rüttenscheid im Wandel

Es folgen Aufnahmen aus dem Wandkalender
Es folgen Aufnahmen aus dem Wandkalender "Rüttenscheid im Wandel" der IGR (2014). hier Messe/Grugapark: Eine ungewohnte Luft-Ansicht aus dem Jahr 1929 zeigt die Anfänge der 1913 eröffneten Messe: Hinter dem Hauptportal und Ehrenhof, wo sich heute der Parkplatz P1 befindet, liegt die 1927 von Josef Rings als Mehrzweckhalle konzipierte, 98 Meter lange Halle fünf. Sie soll bereits 1958 wieder weichen – auf ihren Fundamenten wird die Grugahalle erbaut, die Architekturgeschichte schreiben soll. Ferner zeigt die historische Aufnahme links ein katholisches Kloster und die Polizeikaserne. Schöne Anekdote am Rande: 1929 hinterlässt die Große Ruhrländische Gartenbauausstellung den als Gruga bekannten Park – seine Ursprünge gehen damit auf eine Veranstaltung der Messe zurück, was man heute fast als Ironie bezeichnen könnte. Foto: IGR
Messe und Grugahalle heute: Auch 100 Jahre später ist der Wandel noch nicht vollendet: Die Messe soll erneuert werden, die alten Hallen an der Seite der Gruga weichen. Foto: Hans Blossey
Messe und Grugahalle heute: Auch 100 Jahre später ist der Wandel noch nicht vollendet: Die Messe soll erneuert werden, die alten Hallen an der Seite der Gruga weichen. Foto: Hans Blossey © www.blossey.eu
Glückaufhaus und Filmstudio: Kaum ein anderes Gebäude hat eine solch wechselvolle Geschichte hinter sich: 1922/23 erbaut, war das Glückaufhaus  im Dritten Reich Sitz der Gauleitung. Schließlich diente es bis 1999 dem Gesamtverband des Steinkohlebergbaus als Hauptverwaltungssitz. Nach langem Leerstand und Umbau unter Beibehaltung der denkmalgeschützten Fassade wird es seit 2009 als Bürogebäude genutzt. Foto: IGR
Glückaufhaus und Filmstudio: Kaum ein anderes Gebäude hat eine solch wechselvolle Geschichte hinter sich: 1922/23 erbaut, war das Glückaufhaus im Dritten Reich Sitz der Gauleitung. Schließlich diente es bis 1999 dem Gesamtverband des Steinkohlebergbaus als Hauptverwaltungssitz. Nach langem Leerstand und Umbau unter Beibehaltung der denkmalgeschützten Fassade wird es seit 2009 als Bürogebäude genutzt. Foto: IGR
Auch die lange Tradition des 1924 eröffneten Filmstudios, dem ältesten Filmtheater des Ruhrgebiets, lebt weiter: Es konnte dank großen Bürgerengagements im Stil der 1950er Jahre restauriert werden.Foto: Kerstin Kokoska
Auch die lange Tradition des 1924 eröffneten Filmstudios, dem ältesten Filmtheater des Ruhrgebiets, lebt weiter: Es konnte dank großen Bürgerengagements im Stil der 1950er Jahre restauriert werden.Foto: Kerstin Kokoska © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Das Motiv für den Monat Januar ist 1924 mit dem Blick in Richtung Innenstadt aufgenommen worden. Es zeigt links die ehemalige  Gaststätte Jägerhof, später Haus Haller, und rechts Gebäudeteile der Großdruckerei von Wilhelm Girardet. Das Bild verdeutlicht den Strukturwandel, den Rüttenscheid gut 90 Jahre später vollzogen hat. Wo früher an schweren Druckmaschinen körperlich hart gearbeitet wurde... Foto: IGR
Das Motiv für den Monat Januar ist 1924 mit dem Blick in Richtung Innenstadt aufgenommen worden. Es zeigt links die ehemalige Gaststätte Jägerhof, später Haus Haller, und rechts Gebäudeteile der Großdruckerei von Wilhelm Girardet. Das Bild verdeutlicht den Strukturwandel, den Rüttenscheid gut 90 Jahre später vollzogen hat. Wo früher an schweren Druckmaschinen körperlich hart gearbeitet wurde... Foto: IGR
...schlägt heute das Herz des Dienstleistungs- und Gastronomiesektors. So findet sich heute auf der rechten Seite das „Rü-Kontor“, in dem die KZA-Architekten Axel Koschany und Wolfgang Zimmer ihren Sitz haben. Das Girardethaus hat sich zu einem Geschäftsgebäude mit Ärzten, Theatern, Kindertagesstätte, Senioren-Residenz und Büros weiterentwickelt – und dank der Gastronomien auch zu einer Adresse für Nachtschwärmer.Foto: Ulrich von Born
...schlägt heute das Herz des Dienstleistungs- und Gastronomiesektors. So findet sich heute auf der rechten Seite das „Rü-Kontor“, in dem die KZA-Architekten Axel Koschany und Wolfgang Zimmer ihren Sitz haben. Das Girardethaus hat sich zu einem Geschäftsgebäude mit Ärzten, Theatern, Kindertagesstätte, Senioren-Residenz und Büros weiterentwickelt – und dank der Gastronomien auch zu einer Adresse für Nachtschwärmer.Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool
Lührmannstraße: Dort ging 1951 der erste „Große Gruga Preis der Stadt Essen“ an den Start.
Lührmannstraße: Dort ging 1951 der erste „Große Gruga Preis der Stadt Essen“ an den Start.
Heute knüpfen das Radrennen Rü-Cup und die Oldtimerausfahrt „Tour de Rü“ an diese sportlichen Traditionen an.Foto: Kerstin Kokoska
Heute knüpfen das Radrennen Rü-Cup und die Oldtimerausfahrt „Tour de Rü“ an diese sportlichen Traditionen an.Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Gaststätte Eickenscheidt: 1907 fand hier, an der Ecke Matinstraße, der erste Parteitag der SPD im Ruhrgebiet hier statt. Später wurde das Gebäude als Haus Maas bekannt. Foto: IGR
Gaststätte Eickenscheidt: 1907 fand hier, an der Ecke Matinstraße, der erste Parteitag der SPD im Ruhrgebiet hier statt. Später wurde das Gebäude als Haus Maas bekannt. Foto: IGR
Die Gaststätte Eickenscheidt wurde im Krieg zerstört. An gleicher Stelle wurde später ein Kino gebaut, das schließlich dem Hotel Arosa wich. Nur die kleine Siechenhauskapelle (l. im Bild) hat die Jahrzehnte überdauert. Foto Alexandra Umbach
Die Gaststätte Eickenscheidt wurde im Krieg zerstört. An gleicher Stelle wurde später ein Kino gebaut, das schließlich dem Hotel Arosa wich. Nur die kleine Siechenhauskapelle (l. im Bild) hat die Jahrzehnte überdauert. Foto Alexandra Umbach © WAZ FotoPool
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„Immer wird uns der Schwarze Peter zugeschoben“, sagt Karl-Uwe Gaida, Personalratsvorsitzender der Stadt, „doch den nehmen wir nicht an. Da machen es sich die Verantwortlichen der Sparpolitik zu einfach.“ Wer so ein Museum plant und baut, der müsse auch für das notwendige Personal sorgen. Und das soll vom Fach sein, einen Vertrag bekommen und anständig bezahlt werden. Für Gaida ist eine Schande, dass dieses „tolle Haus“ nicht öffentlich zugänglich ist. „Es wurde einfach auf die Funktion Archiv zurückgefahren. Damit erfüllt die Stadt ihre Pflicht. Mehr nicht.“

Norbert Mering, Vorsitzender des Überruhrer Bürgervereines und ehemaliger CDU-Ratsherr findet noch drastischere Worte. „Es ist ein Verbrechen, dass diese gut strukturierte und informative Ausstellung über die Geschichte unserer Heimat so sang- und klanglos untergeht“, ereifert er sich. Auch das Archiv wird seiner Meinung nach total vernachlässigt: „Da werden Bürger und Institutionen dazu aufgerufen, ihre gesammelten Schätze und Dokumente dem Stadtarchiv zu stiften und keiner kann sie aufbereiten.“