Essen. Die Bühne am Gänsemarkt öffnete am Sonntag Türen und Kisten mit Kostümen, die die Besucher kaufen konnten. Die drängten herbei, begeisterten sich für ausgemusterte Mäntel und für die Wohnzimmer-Atmosphäre.
Der pelzbesetzte Mantel, den Harald Soldan gerade anprobiert, hat schon viele Szenen erlebt und überlebt. Und er wird weiterleben: Denn Soldan kommt aus dem Taunus und sucht gezielt nach Kostümen für das Anspacher Kult(ur) Theater. „Den Mantel bekommt unser Gespenst“, sagt er augenzwinkernd und zieht glücklich von dannen.
Es ist ein Tag der offenen Tür, wie ihn das Kleine Theater am Gänsemarkt schon lange nicht mehr erlebt hat. Bereits kurz vor der Öffnung stehen Menschentrauben vor dem Eingang. Sie schieben und drängeln sich in die winzigen Räume, durchwühlen die aufgestellten Kisten und durchforsten die Stangen mit den Kostümen.
"Man wird sofort in das Stück hineingezogen"
Zehn Krawatten, das Stück zu 50 Cent, hat Dieter Junghans ergattert, jetzt will der Oberhausener einen Blick in eine der Inszenierungen werfen. „Ich weiß schon jetzt, dass ich wiederkomme“, sagt er nach einer kurzen Kostprobe von Sartres Stück „Die geschlossene Gesellschaft“, „die Atmosphäre hier ist einmalig“.
Die Essenerin Gabi Langer hat sich zum ersten Mal auf den Weg in die Innenstadt zum Gänsemarkt gemacht. „Mir gefällt die Wohnzimmeratmosphäre, man wird sofort in das Stück hineingezogen“, begeistert sie sich. Auch sie will auf jeden Fall wiederkommen. Neben der Bühne hat Svenja Pardula einen Sitzplatz zwischen Bar und Schminktisch gefunden. Vorsichtig balanciert sie ihre Kaffeetasse auf den Knien, während sie mit Ingo Scheuer plaudert.
"Liebe, Leidenschaft und viel Spaß"
Die Beengtheit hat auch was für sich: Man kommt schnell in Kontakt und ins Gespräch. Und in Ingo Scheuer hat die Essenerin einen profunden Kenner angetroffen: Der künstlerische Leiter, Schauspieler, Regisseur ist ein Urgestein des Kleinen Theaters. „32 Jahre bin ich schon dabei“, sagt er und es klingt, als könne er selbst nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist. Doch Scheuer ist nicht der einzige, der einem der ältesten Privat-Theater in NRW, das nächstes Jahr sein 50. Bestehen feiert, so lange die Treue hält. Unter den knapp 60 Mitgliedern des Vereins, der das Theater trägt, gibt es viele, die vom „Virus“ infiziert sind.
So wie Petra Broszeit, die seit über drei Jahrzehnten auf der kleinen Bühne steht. Mit Enthusiasmus allein ist das nicht zu erklären – „es ist Liebe, Leidenschaft und viel Spaß“, sagt Broszeit.
In der kleinen Garderobe, eingeklemmt zwischen Küchenzeile und Schminkspiegel, bereitet sie sich für den nächsten Auftritt vor. Ein Blick in den Theaterraum lässt ihr Herz höher hüpfen: Die 44 Plätze sind bis auf den letzten besetzt – so kann es weitergehen.