Wer wissen will, warum der kleine David einst den schier übermächtigen Goliath bezwungen hat, der muss nur einen Blick in die Bibel werfen: 1. Buch Samuel, Kapitel 17 – da ist von der Hochnäsigkeit des Stärkeren die Rede, die man heute wohl als „Arroganz der Macht“ übersetzen würde, von einem unterschätzten kleinen Widersacher und dieser verflixten Steinschleuder als ebenso leicht handhabbarer wie flexibler Wunderwaffe, auch für ausgemachte Schwächlinge.
Seit gestern Abend wissen wir: Indem der NRW-Landtag die Zustimmungshürden für Bürgerbegehren und -entscheide vor einiger Zeit spürbar senkte, haben diese eine ähnlich durchschlagende Wirkung wie ein langer Streifen Leder mit Ausbuchtung und fünf flache Kieselsteine. Mag auch der Essener Stadtrat mit einer satten Mehrheit von 82 Prozent ein 123-Millionen-Euro-Projekt durchwinken – wenn die Mobilisierung der Gegner stimmt, dann kann die neue Steinschleuder der Demokratie auch eine solche Übermacht ins Wanken bringen.
Selbstherrliche Inszenierung der Befürworter
Man kann das gut finden oder lauthals beklagen – es ist schlicht die Realität einer politischen Welt, die sich gewandelt hat. Und vielleicht sollte die „Pro Messe“-Bewegung mehr noch als bei den Gegnern im eigenen Auftreten nach Gründen dafür suchen, warum die ehrgeizige Messe-„Ertüchtigung“ als „Jahrhundert-Bauwerk“ auf so viel Skepsis und Ablehnung gestoßen ist.
Da mögen „Wutbürger“ am Werk gewesen sein und Leute, die sich wegen der komplizierten Fragestellung schlicht „verwählt“ haben. Da mag es sich um politisch Frustrierte handeln wie um Messe-Skeptiker, die sich von Ausstellungsmachern nicht zu einem Mega-Projekt haben nötigen lassen wollen.
Vor allem aber bleibt einem nach diesem Messe-Wahlkampf die für viele nur schwer erträgliche, selbstherrliche Inszenierung der Neubau-Befürworter in unangenehmer Erinnerung. Sie haben – bei wenigen rühmlichen Ausnahmen – naserümpfend und von oben herab kaum eine Gelegenheit ausgelassen, deutlich zu machen, dass sie ihre Gegenüber mehr oder weniger für ziemliche Vollpfosten halten, die man nicht sonderlich ernst nehmen muss.
Das Ergebnis von gestern Abend ist auch eine Quittung für diese Haltung, die sich wie ein roter Faden durch die letzten Monate zog. Daneben wurde deutlicher denn je, dass die Essener Messe es mit einer massiven Vertrauenskrise bei den Essener Bürgern zu tun hat. Wer heute mit leichter Hand zur Disposition stellt, was er erst gestern im Brustton der Überzeugung für überlebenswichtig erklärt hat, der muss sich nicht wundern, dass man ihm die Pläne für morgen oder gar übermorgen nicht recht abnehmen mag.
Und jetzt? Jetzt sollten Gewinner wie Verlierer des Bürgerentscheids schleunigst an einen Tisch kommen. Eine kurzfristig einzuberufende Sonderratssitzung, die als Forum dienen könnte, wäre die angemessene Reaktion. Und im Mittelpunkt die Frage: Welche Messe will Essen um welchen Preis? Das löst man nicht mit Schwert und Steinschleuder, sondern mit Reden.
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