Essen. . Sie sind gut qualifiziert, hoch motiviert und dennoch arbeitslos: Die über 50-Jährigen haben es auf dem Stellenmarkt besonders schwer. Oft gelten sie als zu alt, obwohl sie wertvolles Wissen und Erfahrungen mit in die Betriebe bringen könnten. Eine Betroffene aus Essen berichtet.
Dieses Team könnte einen Betrieb auf Vordermann bringen. Eine leitende Hotelangestellte, eine Chefsekretärin, ein Controller und andere leitende Angestellte, Fachleute auf ihrem Gebiet, die 20, 30 Jahre Berufserfahrung mitbringen würden – wären sie nicht arbeitslos und würden gegen Wände rennen, wo ihnen die Türen einst offen standen
Würden sie eine Anzeige aufgeben, sie würde so klingen: Qualifizierter Angestellter, 50+, sucht händeringend nach einem Job. Das ist der gemeinsame Nenner, unter dem sich die ehemaligen Gutverdiener einmal wöchentlich treffen in einer Selbsthilfegruppe, die mehr sein will als ein Forum, in dem man sich bedauert und von Niederlagen und Absagen spricht.
Vielmehr versteht die Gruppe sich als Netzwerk: Wer hat noch gute Kontakte, wer hat gehört, wo es einen Job geben könnte? „Doch die Aussichten“, sagt die Gründerin der Gruppe, „sind alles andere als gut“. 50 ist die Dame, und möchte unerkannt bleiben, denn noch immer ist da die Hoffnung, sich nicht „outen“ zu müssen als aussortiert auf dem Markt der Arbeitssuchenden.
30 Jahre hat sie sich nie vor der Arbeit gedrückt
30 Dienstjahre als leitende Angestellte im Hotel haben ihr eine schöne Wohnung beschert, soziales Ansehen, einen großen Freundeskreis. „Ich habe mich nie vor Arbeit gedrückt, im Gegenteil.“ Personal- und Budgetverantwortung übernahm sie, hat die Überstunden nie gezählt.
„Hunderte Bewerbungen habe ich geschrieben und sogar eine Headhunterin beauftragt. Die hat mir hinter vorgehaltener Hand gesagt: ,Ihre Unterlagen sind top. Wenn sie 20 Jahre jünger wären, könnte ich sie sofort vermitteln‘.“ Womit sich natürlich die Frage stellt: Wie hätte ein 30-Jähriger mit 20 Dienstjahren weniger diesen beruflichen Wissensschatz anhäufen sollen?
Auf das Geld kommt es ihr gar nicht so sehr an - „hauptsache Arbeit“
Eine Antwort darauf bekam sie nie – und bewarb sich weiter. „Für ein Jahr hatte ich eine befristete Stelle in einem Projekt. Ich habe zwar erheblich weniger verdient, aber das war in Ordnung – Hauptsache Arbeit.“ Doch dann war das Projekt beendet und ein Neuanfang nicht in Sicht. „Manchmal bekommt man nicht mal eine Absage. Das ist deprimierend.“
Wütend hingegen macht sie die Tatsache, dass sie nun in den Hartz IV-Bezug rutscht. „Da habe ich immer gearbeitet, gut verdient und eine Menge Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und jetzt werde ich auf eine Stufe gestellt mit Leuten, die noch nie gearbeitet haben. Sicherlich gibt es auch viele, die nicht arbeiten können“, schränkt sie ein. Und doch: Diese Gleichmacherei nagt an ihr.
Die Miete ist zu hoch und Kino, Theater oder Restaurant müssen gut überlegt sein
Denn sie bedeutet mehr als den sozialen Prestigeverlust. „Ich werde hier ausziehen müssen, weil die Miete zu hoch ist. Ich muss drei Mal überlegen, ob ich mir Kino, Theater oder Restaurantbesuche leisten kann.“ Doch Wut und Verzweiflung sollen sie nicht klein kriegen. Noch ist da Hoffnung. „Ich würde jeden Job annehmen. Aber oft heißt es, ich sei überqualifiziert.“ Ein heikles Thema. Zwar wird qualifiziertes Personal gesucht. Setzt man aber der 30-jährigen Chefin eine Mitarbeiterin, die ihr in Kompetenz und Berufserfahrung weit überlegen ist, in die Abteilung, sind die Spannungen absehbar.
In der Selbsthilfegruppe muss die 50-Jährige all dies nicht lange erklären. Die Mitglieder kennen, sie teilen ihre Erfahrungen. Kein plattes „das wird schon wieder“, sondern pragmatische Ideen tausche man aus, gebe untereinander Tipps, motiviere sich. „Wer mitmachen möchte, ist willkommen.“