Essen. . Nach dem Großbrand an der St. Hubertus-Kirche in Essen sprechen alle vom Glück, welches die Gemeinde nichtsdestotrotz hatte. Das große Kreuz auf der Kirchturmspitze leitete die Wucht des Blitz-Einschlags ab. Die Gemeinde ist finanziell mit dem Schaden überfordert - Bürger sind nun zur Hilfe aufgerufen.

„Wir haben Glück gehabt, viel Glück.“ – Wer auch immer am Samstag oder am Sonntag über den Brand des Kirchtums der St. Hubertus-Kirche in Bergerhausen sprach, Bilanz zog über einen der wohl ungewöhnlichsten und spektakulärsten Einsätze der Essener Feuerwehr, bemühte das Glück. Oder er sprach von Gott. War es nicht auch Fügung, dass ausgerechnet das große Kreuz auf der Kirchtumsspitze an dem 100 Jahre alten Gotteshaus diesen verheerenden Blitzeinschlag am Freitagabend abgeleitet hatte, ihm jedenfalls die Kraft genommen hatte, schwereren Schaden anzurichten? Womöglich auch an Leib und Leben?

Pfarrer Olaf Deppe, Pastor Ludger Toups und viele andere aus der Gemeinde sahen das so – und trugen das schwere Kreuz zur Sonntagsmesse in die Kirche, legten es dort vor den Altar: „Das Kreuz hat die Menschen geschützt und da war uns klar, es gehört in die Kirche“, sagte später Pastor Toups.

Gemeinde alleine wäre überfordert

Wenn sich nur alle Dinge so leicht lösen ließen: Nachdem nun fünf Meter an dem mit einst 74 Meter höchsten Essener Kirchtum fehlen, haben die Dachdecker die verkohlten Holzstumpen des Dachstuhls am Samstag weiter zurückgeschnitten und gesichert. Das Loch an der nun stumpfen Spitze allerdings soll zunächst offen bleiben, um das mit Löschwasser getränkte Holz zu trocknen. Wie es nun weitergeht? Die Gemeinde ist mit dem Schaden überfordert. Allein der gigantische Spezialkran aus Düsseldorf, der erst der Feuerwehr entscheidend half, den Schwelbrand hinter den Kupferplatten zu löschen und später die Dachdecker an ihren Arbeitsplatz brachte, dürfte bereits einen größeren Betrag in Anspruch nehmen. Dazu kommen die sicherlich noch deutlich höheren Sanierungskosten für den Dachstuhl. Wobei nur zu hoffen bleibt, dass die Statik der Holzbalken nicht gelitten hat, Sachverständige werden das in den nächsten Tagen prüfen.

In der Sonntagsmesse appellierte Pfarrer Deppe an die Gemeinde und an die Essener Bevölkerung, mit Spenden zu helfen, Turm und Kreuz sollen wieder entstehen. „Wir als Gemeinde St. Hubertus und Raphael werden uns beteiligen und dafür demnächst eine besondere Türkollekte durchführen“, sagte Altfrid Norpoth vom Gemeinderatsvorstand. Auch ein Spendenkonto soll eingerichtet werden. Natürlich sieht sich auch das Bistum in der Pflicht: Generalvikar Klaus Pfeffer hatte bereits bei seinem Besuch am Samstagmorgen am Brandort deutlich gemacht: „Wir werden natürlich helfen, das Bistum Essen hat für solche Schadensfälle eine Rücklage im Haushalt gebildet. Die Gemeinde allein wäre damit überfordert.“ Ob die Turmspitze samt Kreuz jedoch schon zur Feier des 100-jährigen Kirchenjubiläums im Sommer wieder als Landmarke über dem Süden steht, bleibt offen.

Pfarrer dankt Passantin für Notruf

Doch das dürfte im Augenblick die Gemüter weniger berühren. Zu frisch sind noch die Ereignisse der Nacht zum Samstag. „Ich würde gerne der jungen Frau danken“, sagte Pastor Ludger Toups. Die Passantin hatte als erste die Rauchentwicklung in der Turmspitze bemerkt und sofort per Handy die Feuerwehr alarmiert. Gut eine Stunde lang hatte sich da bereits der Schwelbrand unter den Kupferplatten durch das Holz gearbeitet. Denn an den Blitzeinschlag kann sich Pastor Toups, der direkt neben der Kirche im Gemeindehaus wohnt, noch gut erinnern: „Das war so gegen 19.30 Uhr. Ein unglaublich mächtiger Knall.“

Feuer

Was dann folgte, hat Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen „so noch nicht erlebt“ und es dürfte in der nicht gerade ereignisarmen Essener Feuerwehr-Geschichte als „einmalig“ gelten: Ein Brand in 74 Metern Höhe, in einem in der Spitze nur über Aluleitern zugänglichen Kirchturm. „Als unsere Feuerwehr-Leiter ausgefahren vor dem Turm stand, wusste ich, das wird hier heute eine längere Geschichte“, berichtet Filzen später. Die Feuerwehr-Leiter endet bei 30 Metern. So müssen sich die Trupps, mit Schläuchen und schweren Pulverlöschern bewaffnet, den Weg in den Turm hinauf kämpfen, die letzten Meter durch eine Luke in der Zwischendecke – ein Knochenjob.

Löscharbeiten am brennenden Kirchturm dauerten neun Stunden 

Die Wasserpumpen laufen auf Hochtouren, damit der Druck in den endlosen Löschschläuchen nicht abbricht. Es gelingt den Feuerwehr-Männern die Flammen im Turm zu löschen, doch so recht kommen sie nicht an den Brandherd heran. Das 100 Jahre alte Dachstuhl-Gebälk in dem denkmalgeschützten Bau ist knochentrocken und entzündet sich immer wieder. Selbst der Teleskopmast der Dortmunder Feuerwehr löst das Problem nicht: Bei 50 Metern ist Schluss, mehr als ein Wasserschleier lässt sich aus dieser Höhe um den funkenschlagenden Turm nicht legen. Die Sorge, das Kreuz oder die Turmspitze könnten herabstürzen, ins Kirchenschiff oder in angrenzende Häuser, wird nun immer größer. Die Feuerwehr lässt die Gebäude evakuieren, in der Kirche beginnen Wehr und Gemeindemitglieder, Statuen und Plastiken in Sicherheit zu bringen. Ein Laser-Peilgerät des Technischen Hilfswerks wird ausgerichtet, es soll Alarm schlagen, sollten sich Kreuz oder Spitze neigen.

Klar ist: Zum Löschen muss mehr Höhe her, aus Düsseldorf soll ein Spezialfahrzeug kommen. Da die Kosten in solchen Fällen der Haus- oder Grundstücksbesitzer übernehmen muss, sichert sich Pastor Toups ab: Doch die Antworten in der Gemeinde wie beim Bistum lauten nur: „Alles tun, um Turm und Kirche zu retten.“ Mit Polizeieskorte wird der Kran nach Essen gebracht. Endlich, gegen drei Uhr morgens, kann die Feuerwehr von der Arbeitsplatte in 84 Metern Höhe gezielt angreifen: Als sie die Kupferplatten entfernt, facht der Wind die Glut an, Flammen schlagen am Turm empor, doch der massive Wassereinsatz zeigt schnell Wirkung. Um 4.15 Uhr ist das Feuer endlich gelöscht – nach fast neun Stunden. Doch der Job ist noch nicht getan: Stück für Stück schneiden die Feuerwehr-Leute die Turmspitze zurück, nachdem sie das Kreuz bereits auf dem Fußweg abgelegt hatten. Das verkohlte Holz landet auf dem Rasen.

Viele Ehrenamtliche helfen beim Aufräumen

Am Morgen präsentiert sich St. Hubertus ohne Spitze, fünf Meter kürzer, dafür mit reichlich Löschschaum im Eingangsbereich und im Turm-Treppenhaus. Kaum hat die Feuerwehr ihre Schläuche eingeholt, beginnen die Aufräumarbeiten. Ein Gartenbaubetrieb reinigt die Gehwege vom Ruß, Gemeindemitglieder schaufeln den Schaum die Treppen hinab. Wie Herbert Engel, der 72-Jährige packt mit an. „Jeder hat gegeben, was er konnte“, sagt Engel im Rückblick auf die Nacht. Der Zusammenhalt der Gemeindemitglieder sei sehr stark. „Die Menschen verarbeiten die Ereignisse jetzt zusammen - das ist gelebte Gemeinschaft“, hat Diakon Ludger Höller beobachtet, der in seiner Predigt am Sonntag das Thema „Flüchtlinge“ aufgreift – und darauf verweist, dass auch die Nachbarn der Kirche in der Samstagnacht für kurze Zeit zu Flüchtlingen geworden waren.

„Dass so viele Ehrenamtliche hier die ganze Nacht mit anpacken, zeigt das gemeinschaftliche Gefühl: Das ist unsere Kirche!’“, sagt Generalvikar Klaus Pfeffer, der am Samstagmorgen zu St. Hubertus gekommen ist. „In aller Herrgottsfrühe“ habe ihn Bischof Franz-Josef Overbeck über den Brand informiert und gebeten, nach Bergerhausen zu fahren, „Im Autoradio lief ein Bericht dazu, da war mir klar, dass das hier eine größere Nummer ist.“