Was dann folgte, hat Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen „so noch nicht erlebt“ und es dürfte in der nicht gerade ereignisarmen Essener Feuerwehr-Geschichte als „einmalig“ gelten: Ein Brand in 74 Metern Höhe, in einem in der Spitze nur über Aluleitern zugänglichen Kirchturm. „Als unsere Feuerwehr-Leiter ausgefahren vor dem Turm stand, wusste ich, das wird hier heute eine längere Geschichte“, berichtet Filzen später. Die Feuerwehr-Leiter endet bei 30 Metern. So müssen sich die Trupps, mit Schläuchen und schweren Pulverlöschern bewaffnet, den Weg in den Turm hinauf kämpfen, die letzten Meter durch eine Luke in der Zwischendecke – ein Knochenjob.
Die Wasserpumpen laufen auf Hochtouren, damit der Druck in den endlosen Löschschläuchen nicht abbricht. Es gelingt den Feuerwehr-Männern die Flammen im Turm zu löschen, doch so recht kommen sie nicht an den Brandherd heran. Das 100 Jahre alte Dachstuhl-Gebälk in dem denkmalgeschützten Bau ist knochentrocken und entzündet sich immer wieder.
Selbst der Teleskopmast der Dortmunder Feuerwehr löst das Problem nicht: Bei 50 Metern ist Schluss, mehr als ein Wasserschleier lässt sich aus dieser Höhe um den funkenschlagenden Turm nicht legen. Die Sorge, das Kreuz oder die Turmspitze könnten herabstürzen, ins Kirchenschiff oder in angrenzende Häuser, wird nun immer größer. Die Feuerwehr lässt die Gebäude evakuieren, in der Kirche beginnen Wehr und Gemeindemitglieder, Statuen und Plastiken in Sicherheit zu bringen. Ein Laser-Peilgerät des Technischen Hilfswerks wird ausgerichtet, es soll Alarm schlagen, sollten sich Kreuz oder Spitze neigen.
Klar ist: Zum Löschen muss mehr Höhe her, aus Düsseldorf soll ein Spezialfahrzeug kommen. Da die Kosten in solchen Fällen der Haus- oder Grundstücksbesitzer übernehmen muss, sichert sich Pastor Toups ab: Doch die Antworten in der Gemeinde wie beim Bistum lauten nur: „Alles tun, um Turm und Kirche zu retten.“ Mit Polizeieskorte wird der Kran nach Essen gebracht. Endlich, gegen drei Uhr morgens, kann die Feuerwehr von der Arbeitsplatte in 84 Metern Höhe gezielt angreifen: Als sie die Kupferplatten entfernt, facht der Wind die Glut an, Flammen schlagen am Turm empor, doch der massive Wassereinsatz zeigt schnell Wirkung. Um 4.15 Uhr ist das Feuer endlich gelöscht – nach fast neun Stunden. Doch der Job ist noch nicht getan: Stück für Stück schneiden die Feuerwehr-Leute die Turmspitze zurück, nachdem sie das Kreuz bereits auf dem Fußweg abgelegt hatten. Das verkohlte Holz landet auf dem Rasen.
Am Morgen präsentiert sich St. Hubertus ohne Spitze, fünf Meter kürzer, dafür mit reichlich Löschschaum im Eingangsbereich und im Turm-Treppenhaus. Kaum hat die Feuerwehr ihre Schläuche eingeholt, beginnen die Aufräumarbeiten. Ein Gartenbaubetrieb reinigt die Gehwege vom Ruß, Gemeindemitglieder schaufeln den Schaum die Treppen hinab. Wie Herbert Engel, der 72-Jährige packt mit an. „Jeder hat gegeben, was er konnte“, sagt Engel im Rückblick auf die Nacht. Der Zusammenhalt der Gemeindemitglieder sei sehr stark. „Die Menschen verarbeiten die Ereignisse jetzt zusammen - das ist gelebte Gemeinschaft“, hat Diakon Ludger Höller beobachtet, der in seiner Predigt am Sonntag das Thema „Flüchtlinge“ aufgreift – und darauf verweist, dass auch die Nachbarn der Kirche in der Samstagnacht für kurze Zeit zu Flüchtlingen geworden waren.
„Dass so viele Ehrenamtliche hier die ganze Nacht mit anpacken, zeigt das gemeinschaftliche Gefühl: Das ist unsere Kirche!’“, sagt Generalvikar Klaus Pfeffer, der am Samstagmorgen zu St. Hubertus gekommen ist. „In aller Herrgottsfrühe“ habe ihn Bischof Franz-Josef Overbeck über den Brand informiert und gebeten, nach Bergerhausen zu fahren, „Im Autoradio lief ein Bericht dazu, da war mir klar, dass das hier eine größere Nummer ist.“