Essen. Schauspieler Thomas Büchel erfüllt sich mit Molières Moralkomödie „Der Geizige“ einen echten Jugendwunsch: Er darf endlich mal so richtig komisch sein! Für seine Kollegin Anne Schirmacher ist der Traum vom Theater schon früh wahr geworden.
Als „Der Geizige“ 1668 uraufgeführt wurde, fiel das Stück beim Publikum durch. Damals wusste man vielleicht noch nicht ganz so sicher wie heute, dass die echten Hauptdarsteller auf der Weltbühne Dax und Dow Jones heißen und Geiz angeblich ja geil sein soll. Heute kann man mit diesem lächerlichen Geizkragen Harpagon, dem die Kinder pausenlos ans Portemonnaie wollen, vielleicht sogar ein bisschen Mitleid haben. Zumindest man kann von Herzen mit und über ihn lachen, wünscht sich Thomas Büchel, dem Molière und Regisseur Jasper Brandis einen Jugend-Traum erfüllen: die erste richtig große komische Rolle!
Wohlstandsbürger von heute
Büchels frühe Inspiration, das war nämlich nicht Gert Voss oder Ulrich Wildgruber, sondern Otto und Dieter Hallervorden. „In der dritten, vierten Klasse habe ich die Sketche oft nachgemacht. Das war meine Nische, damit hatte ich damals Riesenerfolg.“ Als er „Fernsehkomiker“ bei einer Schulbefragung zum 1. Mai mal als Berufswunsch angegeben hat, haben allerdings alle die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen in diesem kleinen DDR-Dorf bei Chemnitz, wo Büchel groß geworden ist.
Gleichwohl: Hallervorden, der große Meister des gemimten Witzes, wäre bestimmt stolz, wenn er Büchel dieser Tage in Aktion sähe – mit dicker Hornbrille, ausholender Gestik, wie aufgedreht, und doch in jedem Moment ganz tragikomischer Kauz. Büchel weiß, dass das Komische erst richtig komisch wird, je ernsthafter man es angeht. „Bei mir ist Harpagon eher ein Durchschnitts-Wohlstandsbürger, der nicht weiß, was er mit seinem Geld machen soll“, sagt Büchel. „Das ist doch für jeden ein Thema geworden, jeder vergleicht Preise, liest Anlagetipps. Man soll ihn irgendwie auch verstehen, die arme Suppe.“
Die große Lust an großen Gefühlen
Es geht viel ums liebe Geld, aber um die Liebe geht es auch bei Molière und dafür ist Anne Schirmacher in „Der Geizige“ gleich mehrfach zuständig. Nicht nur Harpagons Sohnemann Cléante wickelt die Maid um den Finger. Auch der kniepige Papa ist bei der jungen Mariane bereit, Gefühle zu investieren.
Das Theater ist für Anne Schirmacher auch eine ganz große Gefühlsangelegenheit. Schon mit zehn hat sie von der Bühne geträumt, hat sich zunächst als Sängerin probiert, was man in Essen derzeit auch in den „neuen Abenteuern des Don Quijote“ sehr schön hören kann.
Für den Traum vom Theater hat Anne Schirmacher alles stehen und liegen lassen – die Schule, das Zuhause, raus aus Stralsund und zum Vorsprechen nach Berlin. Auf den Wunschtraum folgte dann erst mal die Bühnen-Realität namens Anklam. Zwei Jahre später aber hat es dann doch geklappt mit Berlin und dem Schauspiel-Studium an der Ernst Busch Schule. Nach Stationen an der Schaubühne und am Berliner Ensemble ist die 27-Jährige jetzt zusammen mit ihrem vierjährigen Sohn nach Essen gezogen.
Geiz, sagt Anne Schirmacher, ist für sie oft vor allem Zeitverschwendung. Wer das Sein nur noch mit Angebots-Studieren und Preis-Vergleichen füllt, der hat das echte Leben irgendwann nicht mehr auf der Rechnung.
Scherz und Schmerz und tiefere Verlustängste werden also ebenso ans Bühnenlicht kommen wie die Erkenntnis, dass man das Stück nicht unbedingt mit Börsendaten und Bankentürmen dekorieren muss, um den heutigen Witz herauszukitzeln. Für Regisseur Jasper Brandis ist Molières Moralkomödie auch keine angewandte Antikapitalismuskritik. Für ihn ist dieser Geizige vielmehr ein Systemverweigerer in einer Zeit, in der Konsum doch zur allgemeinen Ideologie erhoben worden ist. Die Folgen von Harpagons Habgier kennen wir: Lug, Betrug, üble Nachrede, und am Ende fehlt sogar die kostbare Schatulle!
Thomas Büchel spielte früher in Bochum
Thomas Büchel wird den Geizhals in Essen dabei ganz zeitlos ohne Barockperücke und Pluderhosen spielen. Der 48-Jährige, den mancher vielleicht noch aus der Haußmann-Zeit am Schauspielhaus Bochum kennt, gehört seit Beginn der neuen Spielzeit zum Grillo-Ensemble. Schon mal beim Thema Geld angelangt, weiß natürlich auch Büchel von den finanziellen Sicherheiten eines festen Engagements zu berichten, wenn man vier Kinder hat und sich die Familienschatulle mit der freien Schauspielkunst auch nicht immer ganz spielend füllen lässt.
Andererseits fordert der Wechsel auch immer wieder Verzicht. Büchels Frau und Kinder leben derzeit noch in Weimar, wo er zuletzt am Nationaltheater engagiert war. Dabei kann sich der Absolvent der Leipziger „Hans Otto“-Schule schon jetzt ganz gut vorstellen, in Essen heimisch zu werden.Vielleicht bleibt dann sogar für seine zweite Leidenschaft, das Unterrichten, irgendwann wieder Zeit. Büchel, der schon Dozent in Leipzig war und eine Gastprofessur in Hamburg hatte, würde mit guten Ratschlägen für den Bühnennachwuchs nicht sparen.
Die Premiere von „Der Geizige“ am 29. Dezember, (19 Uhr) und die Folgetermine bis Februar sind bereits ausverkauft. Infos: 0201-8122-200