Essen. . Mit einer Bewährungsstrafe beendete das Landgericht Essen einen Prozess gegen anfangs sechs Angeklagte, die Syrer aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geschleust hatten. Das Gericht berücksichtigte zwar humanitäre Aspekte, den Schleusern sei es aber auch um den finanziellen Gewinn gegangen.
Anfangs hatte die Bundespolizei den Bauingenieur aus dem Essener Süden als „Kopf“ einer internationalen Schleusergruppe geführt. Von dieser Einschätzung blieb am Dienstag im Urteil zwar nichts übrig. Strafbar gemacht hat sich der gebürtige Syrer Hanna L. (59) dennoch, als er half, Landsleute aus den Kriegsgebieten nach Deutschland zu holen. Das Landgericht Essen verurteilte ihn zu zwei Jahren Haft mit Bewährung, außerdem muss er 110.000 Euro Geldbuße zahlen.
In dem seit Juli laufenden Prozess mit anfangs sechs Angeklagten hatte die XV. Strafkammer gegen die einzelnen Schleuser Strafen bis zu drei Jahren Haft ausgesprochen. Ein Jahr lang war die Organisation von der Bundespolizei observiert worden. Zahlen mussten die Syrer an die Organisation für ihre Flucht bis zu 17.000 Euro.
Der Essener Bauingenieur sorgte für die Finanzierung. Er nahm das Geld in Deutschland von Verwandten der Fluchtwilligen an und leitete es auf ungeklärten Wegen an seinen Bruder in Syrien weiter, der die Schleuser bezahlte. Bis zu sieben Prozent kassierte er dafür.
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Das Gericht sah sich angesichts des Geständnisses zu einem „äußerst milden Urteil“ in der Lage. Richter Jörg Schmitt: „Bei ihm überwiegen humanitäre Aspekte. Andere dachten weit mehr an den Gewinn.“ Den menschenfreundlichen Hintergrund der Angeklagten schränkte das Gericht mit weiteren Sätzen ein: „Die Ärmsten der Armen sind weiter da unten. Die es bis zu uns schafften, da mussten hohe Gelder gezahlt werden.“
Drei Monate Untersuchungshaft
Drei Monate lang hatte der seit 30 Jahren in Deutschland lebende Familienvater Hanna L., der seinen Arbeitsplatz in einem großen Baukonzern behält, in diesem Verfahren in Untersuchungshaft gesessen. Das Gericht lobte ihn und seinen Verteidiger Volker Schröder ausdrücklich für das frühe Geständnis. Andere Angeklagte hatten mehr auf Konfliktverteidigung gesetzt, ohne sich klar zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Im Urteil gegen den Syrer Mohamad D. (31), der drei Jahre Haft bekam, hatte Schmitt an dessen wechselnde Einlassungen im Verfahren erinnert. Dieser hatte erst spät eigenes Gewinnstreben eingeräumt.
Gegen dessen Darstellung als ein selbstloser Menschenfreund, der Menschen in Not helfen wollte, hatte das Gericht damals Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung angeführt: So hatte Mohamad D., der in Griechenland saß und bis zu 1200 Euro pro Flüchtling kassierte, sich am Telefon beschwert, dass andere Schleuser ihm Kunden abjagten. Als „Samariter“ hätte er sich wohl eher freuen dürfen über jeden Fluchthelfer, der Menschen rettet. Ihm ordnete das Gericht auch einen Mercedes für 22.000 Euro zu und eine Eigentumswohnung für 25.000 Euro.
Flüchtlinge nicht bestraft
Ein Vorwurf, den das Gericht am Ende des Verfahrens Hanna L. ausdrücklich nicht machen wollte. Jeder habe auch Verständnis, dass Menschen aus den Kriegsgebieten flüchten wollten, sagte Schmitt. Kein Flüchtling und auch kein zahlender Verwandter habe deshalb strafrechtliche Konsequenzen gespürt, betonte er. In diesem Verfahren gegen die sechs Angeklagten sei es um gewerbsmäßige Einschleusung gegangen, hob Schmitt in einem anderen Urteil hervor. Er hatte damals an Schleuser erinnert, die Flüchtlinge ohne Rettungsweste auf kleine Boote stecken: „Leute, die Gewinne machen, nehmen weniger Rücksicht auf Menschenleben.“
Die 110.000 Euro Geldbuße, die Hanna L. zahlen muss, gehen an die Landeskasse, zu einem größeren Teil aber an Hilfsorganisationen für Syrien. Schmitt zum Angeklagten: „Hätten Sie den Menschen in Not geholfen, indem sie das Geld früher an die Organisationen gespendet hätten, dann hätten wir uns dieses Verfahren sparen können.“