Essen. Juristische Niederlage für die Stadt: Das Landessozialgericht hat in einem Urteil die bisherigen Mietobergrenzen für Hartz-IV-Haushalte gekippt. Essens Sozialdezernent Renzel befürchtet nun: „Das kann uns einen zweistelligen Millionen-Betrag kosten“.

Die Stadt Essen muss möglicherweise die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Haushalte und Sozialhilfeempfänger deutlich anheben. Das geht aus einem Urteil des Landessozialgerichtes Essen hervor. In dem am Donnerstag vor dem 7. Senat verhandelten Fall hatte eine Essenerin gegen die bisherige Praxis des städtischen Jobcenters geklagt und Recht bekommen. Demnach darf die Stadt bei der Berechnung der Mietobergrenzen nicht nur die Nettokaltmiete zu Grunde legen sondern muss die kalten Nebenkosten – alle Betriebskosten ohne Heizung – mit einbeziehen.

„Es besteht die Gefahr, dass uns das Urteil einen höheren zweistelligen Millionenbetrag kostet“, sagte Sozialdezernent Peter Renzel. Das Gericht hatte eine Revision vor dem Bundessozialgericht nicht zugelassen. Die Stadt werde aber eine Nichtzulassungsklage prüfen, kündigte Renzel an. Bis das Urteil nicht schriftlich vorliegt, werde Essen an den Tabellen der Mietobergrenzen nichts verändern.

4,61 Euro Grundmiete bestätigt

Bislang geht die Stadt bei der Berechnung der Mietobergrenze allein von einer Grundmiete in Höhe von 4,61 Euro pro Quadratmeter aus. Bei einem Ein-Personen-Haushalt, dem rechnerisch nicht mehr als 50 Quadratmeter zustehen, liegt die bisherige Mietobergrenze bei 230,50 Euro. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt (max. 65 qm) sind es 299,65 Euro.

In dem verhandelten Fall verlangte das Gericht von der Stadt, die kalten Nebenkosten miteinzubeziehen. Da Essen aber keinen Betriebskostenspiegel hat, ist das Gericht vom NRW-Durchschnittswert ausgegangen und der liegt bei 1,94 Euro pro Quadratmeter. Somit steigt der Quadratmeterpreis auf 6,55 Euro. Für Renzel ist diese Herangehensweise völlig unverständlich: „1,94 Euro sind für Essen viel zu hoch angesetzt.“ Er kündigte an, dass die Stadt so schnell wie möglich einen Betriebskostenspiegel aufstellen werde.

Mehr Spielraum bei der Wohnungssuche

Mit der Anhebung der Mietobergrenzen erhalten die Hartz-IV-Haushalte und Sozialhilfeempfänger nicht automatisch mehr Miete, möglicherweise aber können sie nun in eine größere Wohnung umziehen und bleiben trotzdem unterhalb der Mietobergrenze. „Das Urteil gibt den Betroffenen mehr Spielraum“, sagte Anwalt Jan Häußler. Denn wer niedrigere Nebenkosten als der angesetzte Betrag hat, kann sich nun eine Wohnung mit einer höheren Grundmiete leisten. Renzel warnte: „Wir werden das dann zu viel gezahlte Geld bei den Nebenkosten aber wieder zurückfordern.“

Wie viele der 44.000 Essener Hartz-IV-Haushalte und rund 7500 Sozialhilfeempfänger das Urteil nutzen, ist unklar. „Es wird ein schleichender Prozess“, so Renzel.