Essen/Gelsenkirchen. . Über 16 Jahre war Ilirian M. untergetaucht. Wegen beinahe tödlicher Schüsse auf einen Kontrahenten in der Essener Drogendealer-Szene fahndete die Polizei nach ihm mit Haftbefehl. Im Sommer ging M. drei Beamten in Gelsenkirchen ins Netz - per Zufall bei einer Personenkontrolle. In der kommenden Woche steht der 41-Jährige vor dem Essener Landgericht.

Manchmal hilft der Polizei Kommissar Zufall: Eine Routine-Kontrolle sollte es werden am Abend des 2. Juli dieses Jahres, auf der Hauptstraße in der Gelsenkirchener Innenstadt. Drei Beamte gehen gegen 21.15 Uhr dem Hinweis auf ein illegales Bordell nach, da kommt ihnen ein Mann auf der Straße verdächtig vor.

Die Polizisten bitten ihm um seine Personalien, glauben, dass der Mann falsche Angaben macht. Sie nehmen seine Fingerabdrücke und machen einen Datenabgleich. Und dann stellen sie fest, dass ihnen da ein nicht alltäglicher Fang gelungen ist. Der Haftbefehl gegen den Überprüften datiert von Anfang 1997. Er ist noch immer gültig und wird nun vollstreckt - mit über 16 Jahren Verzug. So lange war Ilirian M. auf der Flucht, ab dem kommenden Freitag wird dem 41-Jährigen am Landgericht Essen der Prozess gemacht. Der Tatvorwurf: versuchter Totschlag.

Durch Notoperation gerettet

Es geht um eine Attacke in der Drogen-Szene. Am U-Bahnhof Hirschlandplatz in Essen, in den 90er Jahren einer der zentralen Umschlagplätze in der Stadt, kommt es am 21. Dezember 1996 zwischen den mutmaßlichen Dealern O. und K. zum Streit. Als Konkurrenten sehen sie sich. K. entfernt sich gegen 2 Uhr morgens zunächst, um dann mit zwei Unterstützern wieder zum U-Bahnhof zurückzukehren, darunter laut Anklage auch Ilirian M.

„Ohne Vorwarnung“ soll der Angeklagte damals eine Waffe gezückt haben. Elf Kugeln aus der Neun-Millimeter-Pistole treffen den konkurrierenden Dealer O. Das Angreifer-Trio flüchtet. Das Leben des Opfers wird durch eine Notoperation gerettet. M. taucht ab - für lange Zeit.

Sechs Verhandlungstage angesetzt

Im auf sechs Verhandlungstage angesetzten Prozess könnte auch zur Sprache kommen, wo sich der Angeklagte in den vergangenen Jahren aufgehalten und wovon er gelebt hat - möglicherweise unter falschem Namen und wahrscheinlich im Raum Gelsenkirchen. Den Tatvorwurf bestreitet der 41-Jährige.

Zwar habe er sich zum Tatzeitpunkt in Deutschland aufgehalten, mit den Schüssen habe er allerdings nichts zu tun. Während der mutmaßliche Anstifter K. inzwischen nach Albanien abgeschoben worden ist, lebt das Opfer weiter in Deutschland und wird im Prozess auch als Zeuge aussagen. Der Mann hat den Angeklagten nach der Tat gegenüber den Ermittlern ebenso identifizieren können wie ein weiterer Zeuge.

Ermittlungsakten teilweise geschreddert

Die Tatwaffe ist nach den Schüssen nie gefunden worden. Erschwerend für die Urteilsfindung kommt auch hinzu, dass viele Ermittlungsakten aus der damaligen Zeit nach Ablauf gesetzlicher Fristen inzwischen geschreddert worden sind. Für eine Verjährung des Tatvorwurfs war der Angeklagte hingegen nicht lange genug untergetaucht.

Die Frist für versuchten Totschlag beträgt mindestens 20 Jahre. Im Prozess wird das Schwurgericht auch zu prüfen haben, ob sogar eine Verurteilung wegen versuchten Mordes - und damit eine möglicherweise längere Freiheitsstrafe - in Betracht kommt.