Essen. Der spektakuläre Kunst-Fund in München weckt im Essener Museum Folkwang die Hoffnung, dass sich darunter auch manches der hier 1937 als ,entartet’ geraubten Werke findet. Über 1400 Kunstwerke hatten Hitlers Schergen dort als „entartet“ beschlagnahmt und abtransportiert, darunter mit 145 Werken nahezu die Hälfte des damaligen Gemäldebestands.

An dümmlichen Begründungen herrschte kein Mangel. Mal war ihnen das Blau zu blau, mal der Dargestellte allzu „unlustig gemalt“. Sie nörgelten am Erscheinungsbild der Bäume, sahen im Pinselstrich „Anzeichen des Verfalls“, und wo selbst der Museums-Direktor „die Darstellung eine Negerin (...) für ein ,deutsches Museum’ sicherlich nicht für angebracht erachtetet”, muss man sich über das, was danach folgte, nicht mehr wundern:

Zwei Mal ließen die Nationalsozialisten im Sommer 1937 ihrem Kunst-Furor freien Lauf, und danach war das „schönste Museum der Welt“ in Essen nur noch ein Schatten seiner selbst.

Über 1400 Kunstwerke aus dem Museum Folkwang hatten Hitlers Schergen als „entartet“ beschlagnahmt und abtransportiert, darunter mit 145 Werken nahezu die Hälfte des damaligen Gemäldebestands, zwölf Plastiken, 260 Zeichnungen und Aquarelle, 350 Blätter Druckgraphik sowie 26 graphische Mappenwerke.

Vielleicht auch Werke aus Essen

Manches fand sich in den 75 Folgejahren wieder, schmückt heute Museen auf der ganzen Welt, doch immerhin mehr als 1.000 Werke blieben verschollen. Kein Wunder, dass jetzt die Nachricht vom spektakulären Kunst-Fund in einer Münchner Wohnung die Phantasie der Verantwortlichen im Museum Folkwang beflügelt: Dass unter den 121 gerahmten und 1285 ungerahmten Werken aus dem Fundus des Sonderlings Cornelius Gurlitt auch manches Werk aus der Essener Beute der Nazis schlummert, sei zwar bislang nicht erwiesen, aber „durchaus zu vermuten“, sagte Tobia Bezzola, Direktor des Museum Folkwang, der NRZ.

Denn Gurlitts Vater gehörte zum Kreis jener Kunsthändler, die sich der „entarteten“ Kunst annahmen, wobei er schwerpunktmäßig Arbeiten auf Papier unter seinen Fittichen hatte. In keinem anderen Museum des damaligen Deutschen Reiches hatten die Nazis eine derart umfängliche Beute gemacht, da gilt ein mögliches Wiedersehen mit Beutestücken schon statistisch als naheliegend.

Keine Vorwürfe an die Ermittler

Gut möglich aber, dass es dann beim Wiedersehen bleibt: Die Nationalsozialisten hatten ihren Beutezug 1938 per Gesetz legalisiert, dass es einen juristischen Anspruch auf Herausgabe gibt, wagt Bezzola doch sehr zu bezweifeln, aber selbst wenn: „Schon rein aus Forschungsinteresse“ sei man brennend daran interessiert, welche Werke da mit welcher Geschichte zum Vorschein kommen.

Dabei wollen sich Bezzola und seine Mitarbeiter in Geduld üben: Nein, keine Vorwürfe an die Ermittler, dass da nach über einem Jahr Recherche noch keine Liste vorliegt, denn gerade für Arbeiten auf Papier sei der Weg „sehr schwer nachzuverfolgen“. Kein Vorwurf der Schlamperei oder Verschleppung also an die Adresse der Behörden, stattdessen die Hoffnung, „dass die verfügbaren Ressourcen erhöht werden, um das aufzuklären“.

Und was am Ende an Ansprüchen im Raum steht, müsse man dann sehen: Es gibt ja, sagt Tobia Bezzola betont vorsichtig, „vielleicht keinen rechtlichen Anspruch, aber einen moralischen“.