Essen. Oft lässt sich die Herkunft der von den Nazis beschlagnahmten Kunstwerke nicht mehr bis ins Detail ermitteln. Auch die rechtliche Lage ist schwierig: Fast alle Fälle sind längst verjährt, die Beschlagnahmung der „entarteten Kunst“ war sogar durch ein Reichsgesetz gedeckt.

Die schier unglaubliche Zahl von 1500 Kunstwerken, die da vor zwei Jahren in einer Schwabinger Wohnung entdeckt wurden und vermutlich zum größten Teil von Nazis beschlagnahmt worden waren, ist nur ein Bruchteil dessen, was sich die Nazis in den zwölf Jahren ihrer Herrschaft unter den Nagel gerissen hatten. Erst wurden Museen und Juden im eigenen Land geplündert, ab 1939 reichte der gierige Arm der Nazis dann von der Atlantikküste bis zum Ural.

Mal sollte das geplante Führer-Museum in Linz ausgestattet werden, mal das Wohnzimmer des prunkverliebten „Reichsfeldmarschalls“ Hermann Göring; aber auch untere Chargen bereicherten sich hemmungslos. „Der Holocaust“, darauf wies Dieter Graumann als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland am Montag hin, „war nicht nur Massenmord, sondern auch Massenraubmord.“

Aufwändige Herkunftsforschung

So eindeutig das moralische Urteil ist, so schwierig dürfte sich die Rechtslage im Falle des Schwabinger Funds darstellen. Denn die Beschlagnahmung von „entarteter Kunst“ durch die Nazis mag barbarisch und räuberisch gewesen sein – sie war aber auch legal, sie beruhte auf einem eigens dafür erlassenen Reichsgesetz.

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Bis heute gelten die NS-Kunstverkäufe ins Ausland als rechtmäßig. Dann vor allem, wenn die beschlagnahmten Werke aus deutschen Museen stammen. Privatbesitzer von NS-Raubkunst können in der Regel überhaupt nicht belangt werden; sofern die Werke durch Verbrechen in ihren Besitz gelangten, sind sie längst verjährt.

Im Zweifel kommt es allerdings stets auf den Einzelfall an. Das dürfte einer der Gründe dafür sein, warum die Behörden beim Schwabinger Fund bislang im Stillen agierten: Die „Reise, die diese Gemälde hinter sich haben, in jedem Fall genau zu rekonstruieren und die rechtmäßigen Besitzer oder deren Nachkommen ausfindig zu machen“, wie es Dieter Graumann am Montag gegenüber dieser Redaktion forderte, ist sehr aufwändig.

"Späte Gerechtigkeit ist besser als gar keine"

Erst seit gut einem Jahrzehnt beschäftigen sich die Kunsthistoriker verstärkt mit der Herkunftsforschung („Provinienz“), die bis dahin allenfalls als Randaspekt galt. Der Weg eines Werkes zwischen Händlern und verschiedenen Besitzern ist in den seltensten Fällen sorgfältig dokumentiert; eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es bis auf den heutigen Tag nicht. Im Falle der Klassischen Moderne sind viele Belege, Rechnungen und Auktionskataloge in den Kriegswirren verloren gegangen. Oder vernichtet worden.

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Die Kommission, die unter Führung der ehemaligen Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin Jutta Limbach herausbekommen soll, welche Werke als Nazi-Raubkunst anzusehen sind und welche Werke legal und legitim den Besitzer wechselten, kann ein Lied davon singen. Die Klärung eines jeden einzelnen Falls zieht sich Monate, manchmal sogar Jahre hin. Dieter Graumann weiß das nur zu gut: „Auch wenn die Suche nach den ursprünglichen Eigentümern sehr lange dauern mag, sie lohnt sich allemal: Späte Gerechtigkeit ist besser als gar keine“, sagt er.

„Washingtoner Erklärung“

Die „Limbach-Kommission“ arbeitet nach den Grundsätzen der „Washingtoner Erklärung“ zur Nazi-Raubkunst, die 1998 beschlossen wurden. Ob ein Werk durch die Verfolgung der Nazis den Besitzer wechselte, richtet sich danach, ob 1.) ein angemessener Kaufpreis gezahlt wurde und 2.) der Verkäufer über den Betrag frei verfügen konnte.

„Man muss zunächst sicher sein, wer die tatsächlichen Besitzer oder die jetzigen Erben sind“, gab auch CDU-Kulturexpertin Monika Grütters am Montag zu bedenken. Für den SPD-Kulturexperten Oliver Scheytt ist die Frage der möglichen Rückgabe von Werken im Moment jedoch vor allem „eine juristische, keine politische Frage“.