Essen. Die Emscherschule in Altenessen hat „Lernzeiten“ am Vormittag eingerichtet, Hausaufgaben gibt es nicht mehr. Damit setzt die Schule konsequent einen Trend um, der sich bald in weiten Teilen des Stadtgebiets abzeichnen wird. Überall wird über ähnliche Konzepte nachgedacht.

Eine der kleinsten Grundschulen der Stadt, die Emscherschule im Norden von Altenessen, bekommt im Moment viele Anrufe von anderen Schulen. „Kollegen fragen nach, wie wir das gemacht haben“, sagt Schulleiter Felix Busch.

Was die Schule gemacht hat: Die Hausaufgaben hat sie in diesem Schuljahr abgeschafft. Und zwar für immer. Wahrscheinlich nicht als erste Schule in Essen, aber die Umsetzung ging besonders schnell. Denn an der Emscherschule sind gerade mal 100 Schüler, pro Jahrgang gibt es nur eine Klasse, die Ganztagsbetreuung (52 Kinder) kommt mit zwei Erzieherinnen aus. Und weil die Schule in einem so genannten „Brennpunkt“ liegt, wird keine Klasse theoretisch größer als 23 Kinder, das heißt: Die Versorgung mit Lehrer-Stellen ist relativ gut. „Das“, sagt der Schulleiter, „und unsere geringe Größe haben wir als Stärken ausgespielt.“

Hausaufgaben haben sich zum Stress-Faktor entwickelt

In vielen Familien haben sich Hausaufgaben zum echten Stress-Faktor entwickelt; das liegt vor allem an der rasanten Entwicklung der Ganztagsbetreuung (siehe nebenstehenden Text). „Wir hatten jedes Wochenende einen Kampf“, berichtet Nina Reinholz, die Schulpflegschaftsvorsitzende der Emscherschule. „Seitdem es keine Hausaufgaben mehr gibt, sind auch die Nachmittage in der Woche entspannter, die Kinder können sich besser verabreden.“

Denn im Offenen Ganztag wird und wurde es zeitlich überall eng: Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Freizeit-Angebote ab dem Nachmittag – „das war auch bei uns mit viel Stress und Hektik verbunden“, sagt der Schulleiter. „Viele Kinder wurden außerdem nicht fertig, das Problem verlagerte sich in die Familien.“

45 Minuten „Lernzeit“ täglich für die Klassen drei und vier, 30 Minuten für die jüngeren Klassen: Fest in den Stundenplan eingebaut ist der neue Hausarbeiten-Ersatz, der gemeinsam von den Klassenlehrerinnen und Ganztags-Erzieherinnen betreut wird. „Dafür fällt kein Unterricht aus“, betont der Schulleiter. „Wir können das mit dem Stunden-Kontingent bewältigen.“ Zwar verschiebe sich deshalb der planmäßige Unterricht etwas weiter nach hinten; die Kinder haben jetzt öfter bis 13.25 Uhr (Ende sechste Stunde) statt bis nur 12.40 Uhr (Ende fünfte Stunde), aber: „Unterm Strich ist weniger Hektik am Mittag, und das Thema Lernen ist dann wirklich abgehakt“, sagt Busch. „Lernzeiten“ werden im Klassenverbund abgehalten; also auch für Kinder, die nicht in den Ganztag gehen, und der Stoff werde bei den älteren Kindern mit einem Wochenplan strukturiert. „Das“, ist Busch sicher, „bereitet optimal auf die weiterführende Schule vor.“

Schulen haben Probleme mit Hausaufgabenbetreuung bekommen

Viele Grundschulen haben in diesem Schuljahr neue Probleme bekommen mit der Betreuung der Hausaufgaben im Offenen Ganztag. Denn die Hausaufgabenbetreuung an den knapp 90 Grundschulen in Essen darf nicht mehr von Honorarkräften übernommen werden, sondern muss durch ausgebildete Erzieher erfolgen. Das liegt an vertragsrechtlichen Hintergründen – Honorarkräfte dürfen nur pädagogische Projekte durchführen, die nichts mit schulisch vorgeschriebenen Lern-Inhalten zu tun haben. Es geht dabei um Weisungsbefugnis und die Gefahr der Scheinselbstständigkeit. Wie auch immer: „Uns“, sagt eine Schulleiterin im Essener Süden, „stellt das vor erhebliche Probleme.

Die Hausaufgaben-Betreuung kann nicht mehr wie üblich stattfinden. Nicht nur die Schule ist unzufrieden, die Eltern sind es auch.“ Allein die Jugendhilfe stellt 500 Honorarkräfte an den Ganztags-Grundschulen, die nachmittags Freizeitangebote machen - von Fußball über Batik bis Theater. Viele von ihnen haben bis zuletzt auch die Schularbeiten der Kinder kontrolliert. Ende November kommen die Leiter aller Grundschulen des Südens zusammen, um über ein Konzept zu sprechen, wie man künftig ohne Hausaufgaben auskommen will – womöglich nach Vorbild der Emscherschule.