Essen. Was macht eigentlich die Faszination des Ruhrgebietes aus, wollen Studenten der Folkwang Universität der Künste wissen. Und gehen an diesem Wochenende auf Entdeckungsreise. Essener werden ihre Gastgeber sein und ihnen erzählen und auch zeigen, welche Erinnerungen und Plätze sie mit ihrer Heimat verbinden.
„Dat is Liebe“ steht auf dem Lebkuchen-Herzchen, das Eva Czaya in Händen hält. Die 23-Jährige strahlt. „Das ist toll. Ich habe gleich drei Menschen gefunden, bei denen ich von Freitag bis Sonntag zu Gast sein darf.“ Die junge Frau, die aus Berlin stammt und jetzt an der Essener Folkwang Hochschule Fotografie studiert, will ihr Wochenende mit drei Fremden verbringen.
Die haben ihr versprochen, sie auf eine ganz private Entdeckungsreise mitzunehmen. Bei der geht es um Essen, das Ruhrgebiet, geliebte Orte und Geschichten, die berühren. Mensch trifft Mensch – ein Projekt der Folkwang Universität der Künste.
Ganz persönliche Begegnungen
Was macht eigentlich die „sentimentale Faszination“ des Ruhrgebietes aus? – wollen Studierende der Hochschule wissen. Welche Erinnerungen, Plätze, Objekte verbinden Menschen im Revier mit ihrer Heimat? Fragen, die acht Studenten von Freitag bis Sonntag in ganz persönlichen Begegnungen jetzt Gastgebern stellen können.
Ute Erbach ist eine von ihnen. Die Buchhändlerin holte gleich noch zwei Freunde ins Boot. Zu dritt wollen sich die Essener um Eva kümmern. Ute Erbach wird mit ihr zur St. Luciuskirche in Werden gehen, „die als eine der ältesten Pfarrkirchen nördlich der Alpen gilt“. Für sie ein ganz besonderer Ort der Ruhe, „an dem man zur Besinnung kommt, auftanken kann“, sagt die 56-Jährige. Und natürlich soll die Studentin „herrliche Landschaft sehen“, bei einem Spaziergang oberhalb des Baldeneysees den Blick bis zur Villa Hügel genießen. Angelika Husemann, Ute Erbachs Freundin, will Eva einen ganz anderen Ort zeigen: das Asylbewerberheim in Essen-Haarzopf. „Meine Kinder sind mit Jungen und Mädchen, die dort lebten, zur Schule gegangen. Da sind Freundschaften entstanden.“
„Schöne Hausfassaden, die hat Katernberg auch“
Der dritte Gastgeber im Bunde, der Bildhauer Will Rumi, geht mit der angehenden Fotografin wahrscheinlich zum Weltkulturerbe Zollverein. „Weil ich diesen Ort auch durch die eigene Arbeit sehr gut kenne.“ Was Eva und ihre Kommilitonen an diesem Wochenende erfahren, soll nicht nur sie bereichern, sondern danach auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In welcher Form, weiß man noch nicht.
Auch Karl-Heinz Tönnies wäre gerne einer der Gastgeber geworden. „Leider geht das nicht, weil meine Frau krank ist“, erzählt der Rentner. Der 78-Jährige war Bergmann, ist einer, der sein Katernberg noch heute liebt und nicht verleugnet, weil es feinere Adressen in Essen gibt. „Keine Frage: Mit dem Niedergang des Bergbaus hat der Stadtteil sich verändert, ist verarmt“, sagt Tönnies. Dennoch gebe es dort immer noch viel zu sehen. „Unsere evangelische Kirche, zum Beispiel. Klar, die einstigen Zechenhäuser. Und schöne Hausfassaden, die hat Katernberg nämlich auch“, weiß der Hobby-Fotograf.
Persönliche Faszination
Das Projekt: Das Folkwang-Projekt wurde beim großen Zechenfest am 28. und 29. September auf Zollverein vorgestellt. Hier konnten sich bereits Gastgeber melden, die Lust haben, jungen Menschen zu erzählen, warum sie ganz persönlich das Ruhrgebiet fasziniert. Am Dienstagabend haben sich Gastgeber und Studenten bei einem ersten Treffen im Sanaa-Gebäude auf der Zeche Zollverein kennengelernt, das von der Folkwang Universität der Künste genutzt wird.
Ein wichtiges Anliegen des Hochschul-Projektes ist auch, den Standort der Uni auf dem Weltkulturerbe Zollverein in Katernberg besser mit der Nachbarschaft zu vernetzen, die im Essener Norden mit einer Kunsthochschule in weiten Teilen nicht täglich zu tun hat. Die ehrgeizigen Ziele der Uni: Durch ein gegenseitiges Kennenlernen, einen gegenseitigen Austausch, sollen Vorurteile und Hemmschwellen gegenüber der Hochschule abgebaut werden, um eine „vitale Nachbarschaft“ entwickeln zu können.
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