Essen. Wenn sich am Dienstag der neue Bundestag konstituiert, ist er offiziell nur noch „Ex“-Abgeordneter. Doch für Schwarz-Rot legt sich Rolf Hempelmann ein letztes Mal ins Zeug. Er soll das Megathema „Energie“ für die große Koalition mitverhandeln.

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, aber wenn sie vorbei sind, sind sie vorbei, und auf einmal geht dann alles ganz schnell: Tag zwei nach der Bundestagswahl war’s, da saß Rolf Hempelmann wie sonst auch in der SPD-Fraktion, „aber plötzlich ganz am Rand und nicht mehr auf dem alten Platz: Da hatte sich schon ein anderer breit gemacht.“

Er lacht. Nein, nicht melancholisch werden jetzt, nicht rumknödeln - auch wenn der Abschied aus dem politischen Berlin ihm in diesen Tagen doch mehr Arbeit macht als gedacht: Nicht, weil er sein Büro schon hat räumen müssen, das versteht sich von selbst, aber auch die Systemtechnik haben sie flugs abgestellt, und jetzt wabert in seinem Handy eine Unzahl an Nummern herum, zu denen ihm die passenden Namen fehlen.

Keinen Malle-Urlaub absagen

Die muss er alle neu zuordnen, zumal er einige doch noch wird brauchen können, der „Ex“-Bundestagsabgeordnete in spe. Denn noch ein letztes Mal soll Rolf Hempelmann seine Energie einbringen. Das war sein Thema in der alten Fraktion, und dieses Wissen wird gebraucht, jetzt, wo nach dem Okay des sozialdemokratischen Parteikonvents von gestern um die große Koalition verhandelt wird. Auf der Ebene der Fachgruppen wird Hempelmann dabei sein, das hat ihm die Fraktionsspitze am Telefon bedeutet: „Rolf, halt Dich bereit.“

Das kommt, da ist er ehrlich, nicht ganz so überraschend, weshalb der 65-Jährige jetzt keinen dreiwöchigen Malle-Urlaub absagen muss, im Gegenteil: Im Sommer, nun ja, man hat das ja immer schon geahnt, hat er mit seinen Mitarbeitern schon einmal vorsichtshalber hintereinandergeschrieben, was denn so auf den Tisch kommen könnte in Sachen Energie, sollte Schwarz-Rot im Raum stehen.

Vielleicht spannender als 2005

Für ihn ist dies eines von drei Megathemen der neuen Legislaturperiode: Vorneweg der Euro und die Finanzen, klar, das große Thema der sozialen Gerechtigkeit, unbestritten. Aber dann eben auch: Wie kriegt man die Energiewende doch noch so ans Laufen, dass die ambitionierten Klima- und Umweltziele nicht hinten über fallen, dass man andererseits aber als Industrieland nicht den Anschluss verliert, „sondern gestärkt aus dieser Sache herausgeht“? Und schließlich: dass alles bezahlbar bleibt und die Bürger am Ende nicht mit der Faust in der Tasche die ständig steigende Zeche berappen müssen.

Oh ja, das könnte spannend werden, vielleicht spannender als 2005, das saß Hempelmann schon einmal in zwei Fachgruppen mit am Tisch, und am Ende stand die große Koalition.

Nicht "von den Schwatten unterbuttern lassen"

Ob er was draus gelernt hat für die Verhandlungen anno 2013? Gummibärchen in den Taschen bunkern? Pokerface aufsetzen? Harndrang-unterdrückende Mittel einnehmen? Hempelmann winkt ab: Er hat sich für den Fall, dass solche Fragen kommen, tatsächlich keine Gedanken gemacht, wie er überhaupt in seinen Jahren als Energiefachmann der Genossen in Berlin nicht den großen Auftritt suchte. Sondern seine Arbeit machte, allseits anerkannt.

Und er wüsste eh nicht, was ihm ein Verhandlungspsychologe auf den Weg geben sollte: „Ich bin einer von denen, die am Anfang die Karten auf den Tisch legen.“ Nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern sagen, was mit Sozialdemokraten geht und was nicht, wo man sich Kompromisse vorstellen könnte und wo es gilt, hart zu bleiben, auch um den Preis, dass es kracht: Nicht zuletzt dies, so glaubt Hempelmann, erwarten die vielerorts doch eher skeptischen Genossen an der Basis, die sich sorgen, die Sozis könnten sich „von den Schwatten unterbuttern lassen“.

Auch künftig ein Koffer in Berlin

Damit es so weit nicht kommt, will sich Rolf Hempelmann mit aller Energie darauf konzentrieren, dass es unumstößliche, fast schon juristisch wasserdichte Formulierungen gibt, auf die man sich in den Verhandlungen einigt, und dazu fest vereinbarte Termine, zu denen überprüfbare Ergebnisse vorliegen müssen.

Er ahnt dabei wohl, dass sich in den eigenen SPD-Reihen mancher womöglich genau so viel bewegen muss, um Schwarz-Rot möglich zu machen, wie auf der anderen Seite des Verhandlungstisches.

Was immer dort am Ende beschlossen wird, im Bundestag wird Hempelmann es nicht mehr umsetzen. Aber sein Seufzer darüber fällt nicht allzu laut aus, denn er wird beratend tätig bleiben, das scheint sicher. Er hat auch künftig seinen Koffer in Berlin, eine Wohnung in Mitte. Aus dem Abschied nach 20 Jahren wird ein neuer Anfang.