Essen. In Berlin wird sondiert, in Essen spekuliert: Die NRZ fragte Bürger, welche Farbenlehre ihnen lieb wäre.

Während die Spitzen von CDU, CSU und SPD im fernen Berlin erste Sondierungs-Gespräche führen und ein weiteres Treffen vereinbaren, wird in Essen über künftige Konstellationen spekuliert. Stellt am Ende eine große Koalition die neue Regierung oder ist es schwarz-grün oder gar rot-rot-grün? Und wie sieht’s mit der Alternative einer Minderheitsregierung aus – egal ob von der CDU oder der SPD geführt? Die NRZ fragte in Rüttenscheid Bürger, welche Koaliti­on ihnen lieber wäre und was sie von der künftigen Regierung erwarten.

„Ich bin für eine große Koalition – es gibt ja keine wirklichen Alternativen“, sagt Martin Jahnert (51). Ihm sei wichtig, „dass es wirtschaftlich so weitergeht, wir die Eurokrise weiter im Griff haben und vor allem gut dadurch kommen.“ Bei einer Koalition würde es immer Punkte geben, um die man sich streiten kann. Jahnert: „Aber es gilt für alle Beteiligten Kompromisse einzugehen, das ist im Sinne des Landes notwendig.“

"Betreuungsgeld ist wirklich der absolute Schwachsinn"

Erst seit ein paar Tagen sind Philipp und seine Frau Christina Preugschas aus den USA zurück. „Dort haben wir längere Zeit gelebt und gear­beitet und ganz andere Politik mitgemacht.“ Der 40-Jährige hätte sich eigentlich eine Koalition aus CDU und FDP gewünscht, „doch das geht nun leider nicht mehr. Daher ist eine große Koalition wohl das Sinnvollste.“ Dem Familienvater sei wichtig, dass die Steuern nicht weiter erhöht werden, „auch nicht für die Wohlhabenden“. Er ist gegen einen gesetzlichen Mindestlohn, seine Frau ist dafür. „Die Unternehmen beuten ihre Mitarbeiter zu sehr aus. Man sollte von seiner Ar­beit leben können und nicht genötigt sein, Zweitjobs annehmen zu müssen wie in Amerika“, sagt die 38-Jährige. Von Neuwahlen halten beide nichts: „Die Parteien müssen mit dem zurecht kommen, was die Bürger gewählt haben – egal ob sie nun wollen oder nicht.“

„Eigentlich passt mir keine der aktuellen Möglichkeiten, weil es damit sicher nicht vorwärts geht“, sagt Volker Brust. Dem 44-Jährigen wäre ei­ne absolute Mehrheit für egal welche Partei lieber gewesen, von einer Minderheitsregierung hält er nicht besonders viel: „Zur Not müssen eben Neuwahlen her.“ Wichtig sei ihm der gesetzliche Mindestlohn und dass es bald eine Autobahn-Maut für Ausländer gibt. „Wenn das nicht zulässig ist, müssen halt auch alle Deutschen Maut zahlen, dafür aber deutlich weniger Kfz-Steuern“, sagt Brust. Doch egal, wer am Ende eine Regierung bildet, „das Betreuungsgeld müssen die wieder abstimmen. Das ist wirklich der absolute Schwachsinn.“

"Steuererhöhungen schlecht für unsere Wirtschaft"

„Ich tippe auf schwarz-rot, obwohl mir schwarz-grün lieber wäre – dann kämen die ökologischen Interessen etwas mehr durch und außerdem hält eine solche Koalition sicher etwas länger“, meint Uwe Frixen. Er wünscht sich vor allem, dass vernünftige Politik gemacht wird. „Denn die ist in den vergangenen vier Jahren nicht immer gemacht worden“, so der 60-Jährige. In einer großen Koalition würde die SPD zu viel Druck machen, „obwohl es ihr mit ihren 25 Prozent gar nicht zusteht.“ Ihm würden die Sozialdemokraten schon jetzt zu viel „herumtönen“. Wichtig sei, dass Politiker nicht nur reden, sondern handeln.

„Ja, die sollen mal schön eine Minderheitsregierung bilden – die von der CDU / CSU“, fordert Uwe Meck. Lange halten würde diese Bundesregierung „sicher nicht“, den Weg frei machen für den Wechsel, „das würde sie ganz sicher – und nicht erst in vier Jahren“, so der 50-Jährige. Meck hofft, dass die Uni­on so nicht mehr die Chance hätte, alles was nicht läuft, auf den Koaliti­onspartner zu schieben: „Sie würde in der Minderheitsregierung ordentlich verlieren. Und das ist wirklich gut für Deutschland, denn es muss ein Wechsel her.“

Und was sagt Ralf Andersen? Der 38-Jährige glaube an eine Koalition aus schwarz und rot: „Das ist wohl das Sinnvollste, da sich die Inhalte von schwarz und grün zu sehr beißen.“ Wichtig ist ihm, dass es keine Steuererhöhungen gibt: „Das wäre schlecht für unsere Wirtschaft.“