Essen. . Das Unperfekthaus (UPH) am Limbecker Platz bietet Kreativen auf 4000 Quadratmetern Atelier-Flächen, Besprechungs- und Probenräume. Perfektionisten tun sich schwer mit dem Charme des Künstler-Dorfes, dem die 44. Folge unserer Serie „Essen entdecken – 100 besondere Orte“ gewidmet ist.
„Wir sind keine Sekte!“ So stand es auf Flyern, die Markus Urselmann, Mitglied des Unperfekthaus-Gründungs-Teams, vor neun Jahren verteilte. Wurde das „kreative Dorf für jedermann“ im ehemaligen Kloster am Limbecker zur Eröffnung noch spöttisch von Anwohnern und Geschäftsleuten belächelt, so machte es in den folgenden Jahren mit anerkennenden Schlagzeilen von sich reden. Das UPH war „Essens kreatives Aushängeschild“ und „Baumarkt der Möglichkeiten“ – und will doch nur eins sein: Eine Heimstatt für Kreative.
Keine Frage: Man kann nicht lernen, das UPH zu mögen. Entweder erschließt sich das Flair aus gelebter Kreativität, die sich wie eine WG mit Ateliers, Werkstätten und Büros über fünf Etagen erstreckt. Oder man wird diesen Ort, an dem Unperfektion Gebot ist, nie begreifen. Hochglanzfassaden und strenge Ordnung, so der Leitgedanke von Gründer Reinhard Wiesemann, hemmen den Menschen in seiner Kreativität. Womit das Haus, in dessen Treppenhäusern sich Graffitis bis hinauf zur Dachterrasse ziehen, an dem Schmuck ausgestellt ist neben handgenähten Kuscheltieren, ein klarer Gegenentwurf ist zu landläufigem Perfektionsstreben.
Am frühen Nachmittag macht Wolfgang Bort seine Spielwerkstatt zu, Konferenzräume stehen leer, eine Designerin arbeitet konzentriert, derweil eine Etage höher im Versammlungsraum zwei Jongleure die Keulen schwingen. Warum sie hier trainieren? Da ist ganz pragmatisch die Deckenhöhe des Saals zu nennen, denn mit ihren weißen Keulen schaffen es die Herren hoch hinauf. „Aber es ist auch toll, dass man hier neue Leute kennen lernt, die ganz unterschiedlich sind“, sagt Jongleur Michael Held.
Eine Flatrate fürs Kreativ-Quartier
Wer das „kreative Dorf“ Unperfekthaus besichtigen möchte, zahlt Eintritt. 6,50 Euro kostet ein Besuch bis zu fünf Stunden inklusive einer Getränke-Flatrate für Kaffee, Tee und Softdrinks. Die Entdeckungstour lohnt vor allem, wenn man an warmen Tagen nach einem Rundgang die Dachterrasse nutzen kann.
Rund 200 Besucher, so kalkulierte UPH-Macher Reinhard Wiesemann, brauche man täglich, um kostendeckend zu arbeiten. Diese Zahl habe man im vergangenen Jahr weit überschritten. Tagungs- und Seminargäste bespielen die Besprechungsräume zwischen Büros und Ateliers. An Abenden treffen sich Vereine, Verbände und Organisationen. Damit sind die Mitglieder der Piratenpartei ebenso Stammgäste wie Kinder, die die Spielwerkstatt Rhinozeros besuchen.
Beliebt ist das UPH darüber hinaus bei Musikern, denn Bands finden dort Proberäume. Gleichwohl es nicht jedermanns Sache ist, dass die Türen unverschlossen bleiben, damit Gäste Inspirationen finden oder schlicht über den kreativen Output staunen können, den Firmengründer, Hobby-Bastler und Handwerker in den verschiedenen Etagen ausstellen.
Unperfekthaus, Friedrich-Ebert-Straße 18, 84735-0, www.unperfekthaus.de. So bis do, 7 bis 23 Uhr, fr und sa, 7 bis 24 Uhr.
Eine Offenheit, die neue Mieter und Gruppen, Organisationen, Vereine, die das Unperfekthaus nutzen wollen, mitbringen müssen. Denn das Haus lebt vom Austausch. „Wer die Tür hinter sich zumachen möchte, ist hier falsch“, sagt Markus Urselmann. „Wir hatten im vergangenen Jahr rund 120 000 Gäste. Da muss man mit Fragen, mit Besuchern in allen Räumen rechnen.“
Doch trotz kreativem Chaos und Besucherströmen – längst haben auch Firmen das UPH als Tagungsort für sich entdeckt. Ein Umstand, der Aussetzern von der Unperfektion geschuldet ist: „Natürlich muss man das professionell organisieren“, sagt Urselmann. Technik stelle man zur Verfügung, Getränke und ein Rundgang durchs kreative Dorf sind im Mietpreis inbegriffen. Was nicht klingt, als würden die düsteren Prophezeiungen der Nachbarschaft von der baldigen Pleite sich bewahrheiten. Was Urselmann mit einem Schmunzeln quittiert: „Gemeinsinn und Wirtschaftlichkeit müssen sich nicht ausschließen.“
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Das Unperfekthaus