Essen.

„Ein Publikum!“ Der Schauspielertruppe aus Tom Stoppards Hamlet-Groteske „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“ reichte die Begegnung mit den beiden Titelhelden, um Halt zu machen und ihre Aufführung darzubieten. Da hatten Philipp Steimel und seine Bühnenverrückten in der Show „Kunst gegen Bares“ am Montagabend im Unperfekthaus schon fast doppelt so viele Zuschauer.

Allerlei schräge Vögel

Na ja, ganz so leer war es nicht im Raum 404, denn schließlich bildeten die Künstler ja selbst auch einen nicht zu verachtenden Publikumsanteil. Aber auch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Interesse an dem Format auch in seiner dritten Auflage sich arg in Grenzen hält. Und das, obwohl es in Köln seit Jahren mit großem Erfolg läuft. Aber Köln ist nicht Essen und vielleicht ist der Trash-Faktor doch zu hoch für die eher konservativen Bewohner der einstigen Kulturhauptstadt. „Na ja, in Köln hat die Show auch vor fünf Leuten angefangen“, schürt Steimel Hoffnung auf künftige Besserung der Lage. Dabei hat die Show durchaus was. Denn auf der offenen Bühne, bei der die Performances belohnt werden, indem das Publikum für jeden Künstler Geld in ein Sparschwein wirft, geben sich allerlei schräge Vögel das Mikro in der Hand. Der mit der meisten Kohle soll dann zum „Kapitalistenschwein des Monats“ gekürt werden.

Showtermine

„Kunst gegen Bares“ mit Moderator Philipp Steimel gibt es jeden zweiten Montag des Monats im Unperfekthaus, Friedrich-Ebert-Straße 18.

Das nächste Mal steigt die Show am 10. September um 20Uhr. Der Eintritt ins Unperfekthaus kostet 6,50 Euro inklusive Softdrinks.

Da ist zum Beispiel Daniel. Der hält sich offenbar für einen Musiker und tritt mit schwarzen langen Haaren, Sonnenbrille, Gitarre und einem mit seinem eigenen Konterfei bedrucktem T-Shirt auf. „Eagles, Beatles, Clapton, Donovan – was wollt Ihr hören?“, fragt er die paar Anwesenden. Jemand wünscht sich lustigerweise „Eric Donovan“, Daniel lacht aber nicht, sondern versucht sich stattdessen an Dylan, dessen obligatorisches „No Woman, No Cry“ er in mittlerer Straßenmusiker-Qualität darbietet. Bei R.E.M.s „Losing My Religion“ gehen dann auch noch wertvolle Textpassagen verloren.

Christoph dagegen wirkt mehr wie der Typ Realschullehrer: Ergraut, gepflegter Bart, das gestreifte Hemd ordentlich in die Jeans gestopft. Christoph zeigt durchaus Talent im humorvollen Liedermacherbereich: Er sagt die Originalversion des Volkslieds „Ännchen von Tharau“ an und macht in seinem Song aus dem Ännchen ein Entchen, das er sich auf den Teller wünscht. Auch die beiden folgenden Lieder sind durchaus intelligent-pfiffig.

Drei Akkorde wirken Wunder 

Ähnlich talentiert, was die Texte angeht, erweist sich der junge Künstler, der sich „No Limit“ nennt, eigentlich Poetry Slammer ist, weil er angeblich nicht Gitarre spielen kann, aber es dann doch tut. Drei Akkorde wirken bekanntlich Wunder.

Für Menschen mit generell niedriger Schmerzgrenze ist dann noch ein Sketch, denn Steimel mit einer Partnerin – einer älteren Dame im Strampelanzug zelebriert: Kinderkochshow – garantiert pointenfrei.

Höhepunkt der Show sind jedoch „Retro 7.0“, ein zum Duo zusammengeschrumpftes Trio: Mit völliger Ernsthaftigkeit in der Stimme und in wechselnden, albernen Kostümen interpretiert ein älterer Herr Lieder von Dean Martin oder Marius Müller-Westernhagen und kümmert sich dabei nicht um das, was sein junger Gitarrist spielt. „Du machst mich fertig“, sagt der immer wieder. Uns auch. Aber genau solche Trash-Momente machen solche Offenen Bühnen so interessant. Die Zeit wird zeigen, ob Essen für diesen wilden Mix, der im „Unperfekthaus“ zumindest von dessen Namen her den richtigen Spielort gefunden zu haben scheint, reif ist.