Essen. . Die sinkende Dividende aus RWE-Aktien gefährdet die Finanzierung des Öffentlichen Nahverkehrs. Essens Kassenwart Lars-Martin Klieve zeigt Sympathie für Mülheim: Dort soll das Modell „Busse statt Bahnen“ die Kosten senken.
Die Essener Verkehrs-AG (Evag) steuert schweren Zeiten entgegen. Bei der bevorstehenden Sparrunde, die Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve in dieser Woche mit dem Erlass einer Haushaltssperre eingeläutet hat, will Klieve die städtischen Tochtergesellschaften ausdrücklich in die Pflicht nehmen. „Es kann nicht sein, dass es wieder heißt, die Stadt muss es richten, hatte der Kämmerer im Gespräch mit der WAZ formuliert. Nach Klieves Überzeugung gilt dies im Besonderen für die Evag.
Hintergrund: Dem Nahverkehrsunternehmen kommt ein Großteil der Dividende aus den städtischen RWE-Aktien zugute, denn als notorischer Verlustbringer ist die Evag von der Körperschaftssteuer befreit. Sollte RWE wie angekündigt die Dividende pro Aktie um die Hälfte auf einen Euro kürzen, würde dies bedeuten, dass der Evag rund 19 Millionen Euro auf der Habenseite fehlen. Klieve erwartet, dass das Unternehmen diese Summe im laufenden Betrieb einspart.
120 Jahre Straßenbahn
Bei der Evag läuten die Alarmglocken
Im Gespräch mit der Redaktion ließ Klieve dabei durchaus Sympathien für den Kurs erkennen, den die Nachbarstadt Mülheim einzuschlagen gedenkt. Mülheims Stadtkämmerer wirbt dafür, den Öffentlichen Nahverkehr ganz auf Busse umzustellen, um so die Kosten für den Betrieb zu senken.
Kritik daran, wie sie dafür auch in Essen laut geworden ist, hält Klieve für unangebracht: „Ich weiß nicht, ob man das nicht besser gelassen hätte.“ Mülheim zahle schließlich in den Stärkungspakt des Landes ein, aus dem die Stadt Essen 90 Millionen Euro erwartet.
Bei der Evag läuten längst die Alarmglocken. Ein „Abschied von der Straßenbahn“ gilt für Essen zwar als ausgeschlossen angesichts von 350.000 Fahrgästen täglich. Ohne massive Einschnitte in das Angebot ließe sich die in Rede stehende Summe aber nicht einsparen. Längere Taktzeiten oder das Stilllegen einzelner Linien wären die Konsequenz, heißt es. „Irgendwann muss Schluss sein“, fordert Wolfgang Weber (SPD), Vorsitzender des Aufsichtsrates, in Anspielung auf die Sparanstrengungen des Unternehmens der vergangenen Jahre.
Fakt ist: Durch die Äußerungen des Kämmerers gerät die Evag zur Unzeit unter Druck. Das kommunale Unternehmen fürchtet bereits um jene Spareffekte, welche Via, die gemeinsame Verkehrsgesellschaft mit Mülheim und Duisburg, einfahren soll. Um 13 Millionen pro Jahr wollte die Evag ihre Kosten senken, angekommen sei man bei sechs Millionen. Doch „Via“ läuft nicht rund. Die jüngste Hiobsbotschaft: Die Duisburger DVG denkt darüber nach, aus dem gemeinsamen Fahrbetrieb auszusteigen. Das klingt verdächtig nach Rückwärtsgang.
Kommentar: Sparen mit dem Holzhammer
Lars-Martin Klieve formuliert gerne spitz und bevorzugt verbal das Florett. Jetzt, wo es ums Sparen geht, greift der Stadtkämmerer zum Holzhammer. 19 Millionen Euro soll die Evag einsparen, weil die Dividende der RWE-Aktien dahinzuschmelzen droht. Das Nahverkehrsunternehmen würde für ein Steuersparmodell bestraft, für das die Stadt sich gerne feiert. Ob es dazu kommt?
Bei der RWE-Aktionärsversammlung werden die kommunalen Vertreter ein Wörtchen mitzureden haben. Klieves Drohszenario bleibt gleichwohl real. Die Evag ist und bleibt ein Zuschussbetrieb. Mehr denn je muss die Stadt sich fragen, was sie sich leisten will und kann. Auch die rot-grüne Landesregierung sollte wissen, was ihr ein funktionierender Nahverkehr wert sein sollte. Für die Evag bedeutet das: Sie ist beim Sparen in einer Bringschuld. „Via“ darf nicht scheitern. Wer nach Fördergeldern ruft, sollte selbst liefern.