Essen. Der Jude Sally Perel überlebte den Holocaust auf ungewöhnliche Weise. Am Leibniz-Gymnasium in Altenessen berichtete der heute 88-jährige Zeitzeuge aus seinem bewegten Leben im Dritten Reich, in dem er mit viel Glück überlebte.

Es ist ruhig in der Aula des Leibniz-Gymnasiums. So ruhig, dass man viele der 200 Schüler atmen hören kann. So ruhig, wie es sich Lehrer in ihrem Unterricht wünschen. Nur hören die Schüler nicht einem Lehrer zu, sondern Sally Perel. Der erzählt von einem Besuch in Auschwitz. „Ich habe diese Haufen aus Kinderschuhen gesehen. Diese vielen Haarlocken. Der Geruch von verbrannten Leichen ist dort bis heute spürbar.“

Betroffene Stille in der Aula.

„Damals habe ich mir vorgenommen, bis zu meinem letzten Tag über das Geschehene zu berichten und für die Wahrheit zu kämpfen.“

Er lebte in "der Haut des Feindes"

Sally Perel ist Deutscher und Israeli. Er ist Jude und hat den Holocaust überlebt. Der 88-Jährige ist einer von den Zeitzeugen dieser dunkelsten Epoche der deutschen Historie, von denen es immer weniger gibt.

„Ich bin lebendige Geschichte. Ihr seid die letzte Generation, die noch Zeitzeugen erleben kann“, sagt er zu den Leibniz-Teenagern. Und die hören genau zu, was der besondere Besucher zu erzählen hat. Salomon, kurz Sally, wurde in Deutschland geboren. Und hat in Deutschland überlebt. Als Jupp. So nannte er sich, als ihn die Wehrmacht aufgriff.

Und ihn in Braunschweig in eine Schule der Hitlerjugend steckte. Dort lebte er in „der Haut des Feindes“. Und in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Sally, der Jude, erlag der Faszination des faschistischen Systems. „Ich war teilweise begeisterter Hitlerjunge und hatte schöne Erlebnisse: Im Sport, mit Opern von Richard Wagner. Mit meiner Freundin. Der Hitlerjunge war in dieser Zeit dominant. Der Jude verdrängt.“

Ein zweites Leben in Israel

„Du sollst überleben“, hatte ihm seine Mutter vor dem Abschied mit auf den Weg gegeben. „Vergiss nie, wer du bist“, hatte sein Vater gesagt. Die Eltern überlebten den Holocaust nicht. Sally Perel schon. Und er fand nach dem Krieg sich und seine Identität wieder. Er wanderte nach Israel aus, begann sein zweites Leben. Und schrieb Jahrzehnte später die Ereignisse seines erstes Lebens in der Autobiografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“ auf. Ein Buch als Mahnung und Mahnmal, das sich die Leibniz-Schüler gestern dutzendweise zum Lesen mit nach Hause nahmen.

Ebenso, wie die Ratschläge Sally Perels: „Schuld erbt man nicht“, sagte er zu den Zuhörern. Und er schärfte mit einem Appell das Bewusstsein der Gymnasiasten, die zwei Stunden lang fasziniert zugehört hatten: „Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, in der Ge-genwart richtig zu handeln. Ihr seid für mich neue Zeitzeugen. Ihr habt mich als eine der ersten Quellen gehört. Helft mit, dass die Wahrheit wachgehalten wird.“