Sally Perel, Autor des Buches "Ich war Hitlerjunge Salomon", besuchte das Berufskolleg Holsterhausen. Schüler zeigten sich beeindruckt von der Persönlichkeit des 83-Jährigen

Holsterhausen. Andächtige Stille herrschte in der Aula des Berufskollegs Holsterhausen, als Sally Perel, Autor von "Ich war Hitlerjunge Salomon", nach langem Warten endlich den Raum betrat. Ein kleiner, alter Herr, der in seiner einzigartigen Lebensgeschichte das unfassbare Leid eines Volkes und zugleich die unerträgliche Schuld einer Nation vereint.

Einer der wenigen verbliebenen Zeitzeugen des Nationalsozialismus. Ein Jude, der es mit einer anderen Identität schaffte, den Holocaust zu überleben. Ein Autor, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Menschen aufzuklären und sie aufzufordern zu eigenständigem, kritischem Denken. "Ich höre oft die Schreie der vielen Kinder, die einfach verbrannt wurden. Sie fragen: Warum? Es gibt darauf keine Antwort, selbst der Teufel hat keine Antwort", sagte Sally Perel sichtlich bewegt zu den etwa 200 Zuhörern. "Aber ich habe mir vorgenommen, alle Jugendlichen zu impfen, sie zu impfen mit den Tränen dieser Kinder."

Es blieb still in der voll besetzten Aula. Als könnten die Anwesenden nicht glauben, dass der charismatische Mann auf der Bühne tatsächlich so viel Leid erlebt hat. "Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer", erklärte Sally Perel und stellte es gleich unter Beweis. Er berichtete vom Abschied von seinen Eltern, von seiner Flucht nach Minsk, von seiner Gefangennahme, von seiner Zeit als Hitlerjunge, von dem Leid, das um ihn herum geschah und von den Lügen, die ihm das Leben retteten.

"Meine einzige Waffe war die Lüge", erinnerte sich Perel an die Entscheidung, die sein ganzes Leben beeinflusst hat. Als er in einem Dorf vor Minsk von der Wehrmacht aufgegriffen wird, wird er gefragt, ob er Jude sei. Er antwortet: "Nein, ich bin kein Jude. Ich bin Volksdeutscher". Von da an beginnt ein jahrelanges Versteckspiel und ein Gewissenskonflikt. Hatte ihm sein Vater zum Abschied doch die Worte mit auf den Weg gegeben: "Vergiss nie, wer du bist."

Aber Perel hört auf den Rat, den Befehl seiner Mutter: "Sali, du sollst leben." Der damals 16-Jährige entscheidet sich gegen die Religion und für das Leben, er heißt nun Joseph Perjel und ist ein Hitlerjunge.

Die Schüler des Berufskollegs Holsterhausen waren beeindruckt und bewegt von der unglaublichen Geschichte des heute 83-Jährigen. "Wir haben das Thema zwar schon häufig im Unterricht besprochen, aber es ist ein sehr bewegendes Gefühl, einen Betroffenen persönlich zu treffen", sagte Schülerin Melanie Souren (22). "Man bekommt das Bedürfnis, sich bei ihm zu entschuldigen, obwohl man selbst ja gar nichts gemacht hat."

Nach dem etwa zweistündigen Vortrag nutzten viele Schüler die Gelegenheit, sich ihre Bücher signieren zu lassen und persönliche Worte an Sally Perel zu richten. Auch die Chance, Fragen zu stellen blieb nicht ungenutzt. "Wie fühlt man sich, als Jude eine militärische Ausbildung zu durchlaufen, die auf die Ausrottung des jüdischen Volkes ausgerichtet ist?" "Haben Sie noch Kontakt zu ihren ,Freunden' von damals?" "Wie beurteilen Sie die Aufarbeitung des Themas heute?" Die Schüler hatten viele Fragen.

"Ich bin sehr dankbar, dass ich einen solch beeindruckenden Menschen und einen der letzten Zeitzeugen kennenlernen durfte", sagte Cristoni Florido (21) nach kurzem Gespräch mit dem Autor. Es sind vor allem das Interesse der jungen Menschen und ihre Reaktionen, die Sally Perel die Kraft geben, weiterzumachen. "Die Jugend ist ein Rohstoff", sagt er, "wenn sie nicht kritisch ist, dann kann man sie leicht missbrauchen."