Essen. Was bei den Entsorgungsbetrieben EBE noch unterentwickelt zu sein scheint, ist in vielen Essener Firmen inzwischen Standard. Thyssen-Krupp etwa setzt bei der Einhaltung von Verhaltensregeln auf „Null-Toleranz“. Tausende Mitarbeiter werden jedes Jahr geschult.

Dubiose Beraterverträge, Konzerte und Champions-League auf Firmenkosten: Die Affäre um den zurückgetretenen EBE-Chef Klaus Kunze taucht die Stadttochter in ein fahles Licht. Die WAZ fragte deshalb nach, was Essener Unternehmen tun, um Vetternwirtschaft, Korruption und anderen Spielarten der „Landschaftspflege“ Einhalt zu gebieten. Das sperrige Schlüsselwort lautet in diesem Zusammenhang „Compliance“ - das ist Englisch und heißt soviel wie: Einhaltung von Verhaltensregeln.

„Bei Thyssen-Krupp herrscht Null-Toleranz“, betont ein Firmensprecher. Und fügt hinzu: „Mauschelei und Weggucken werden konsequent bestraft.“ Beim Stahlkonzern sind sie aus Schaden klug geworden- Stichwort: Schienenkartell - und haben „ein feinmaschiges Compliance-Programm“ aufgelegt. So wacht ein „Chief Compliance Officer“, der Vorstandschef Heinrich Hiesinger unmittelbar unterstellt ist , über die Regeltreue der gut 160.000 Mitarbeiter. Ihm zur Seite steht eine 20-köpfige Abteilung.

Compliance Code of Conduct

Was geht und was geht nicht? Das ist beim Stahlriesen sehr detailliert niedergelegt in einem Verhaltenskodex („Compliance Code of Conduct“). Denn kniffelige Situationen entstehen täglich. Darf ich Einladungen annehmen und wenn ja, welche? Wen lade ich zu einem Fußballspiel ein und darf ich das überhaupt? „Per se ist nicht alles verboten“, betont der Firmensprecher. Frei formuliert: Von einem Direktor wird bestimmt nicht erwartet, dass er sein Gegenüber zum wichtigen Geschäftsessen in einer x-beliebigen Frittenbude an der Ecke trifft. Aber muss es unbedingt der sündhaft teure Edel-Italiener sein, bei dem er sich obendrein auch noch fünf Flaschen des teuersten Rotweins für Zuhause mit auf die Firmenrechnung setzen lässt? Selbstverständlich nicht.

Strenge Vorschriften herrschen auch bei der Sparkasse. Zum Beispiel in Sachen Beraterverträge. „Für Ratsvertreter und Mitglieder des Verwaltungsrates gibt es bis zwei Jahre nach dem Ausscheiden keine Beraterverträge“, sagt Sprecher Volker Schleede. Die aktuelle Zahl der Beraterverträge? „Keine“.

Versteuerter Champagner als Geschenk

Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten Sitzungsgelder, aber keine Geschenke. Einzige Ausnahme: ein Weinpräsent zum Geburtstag. Schleede: „Der Wert liegt unter 20 Euro.“ Und was ist mit teuren Karten für Konzerte und Champions-League? „Die gibt’s nicht“, sagt Schleede. Was wohl geht: Als Sponsor von RWE lädt die Sparkasse Kunden zu Rot-Weiss-Spielen ein.

Eine Flasche Champagner als Geschenk? Das geht. Aber: Der Empfänger wird ein Zettelchen finden, auf dem es absolut korrekt heißt: „Die Sparkasse Essen hat den Wert dieser Flasche versteuert.“