Essen. . Die Essener Polizeipräsidentin widerspricht einem internen Papier, laut dem das Ausrücken bei häuslicher Gewalt für die Polizei auf dem Prüfstand stehen soll. Selbst eine mögliche Diskussion über die Bürokratie nach diesen Einsätzen sei vom Tisch, sagt Fischer-Weinsziehr.

Wie schlimm häusliche Gewalt eskalieren kann, erlebten die Essener erst in der vergangenen Woche: Da wurde eine 19-Jährige getötet, ihre Mutter lebensgefährlich verletzt. Tatverdächtig ist der als gewalttätig bekannte Vater. Schon deshalb sorgten Nachrichten für Unruhe, die Polizei überlege, bei häuslicher Gewalt nicht mehr auszurücken. Das sei nie geplant gewesen, widerspricht nun Essens Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr.

Tatsächlich hatte die Arbeitsgruppe „Polizeiliche Aufgabenkritik“ im Sommer Vorschläge verschiedener NRW-Polizeipräsidien zusammengestellt. In dem Papier vom 18. Juni, das der WAZ vorliegt, ging es darum, die Arbeit der Polizei effizienter zu gestalten. Es wurden konkret die Bereiche häusliche Gewalt, Bagatellunfälle oder Begleitung von Schwertransporten benannt.

"Wir kommen bei jeder Gewalttat"

Demnach schlägt das Polizeipräsidium Essen vor, die „Einsatzwahrnehmung und Bearbeitung von häuslicher Gewalt“ auf den Prüfstand zu stellen. Das wurde, nicht nur in der WAZ, als mögliche Sparmaßnahme gewertet. „Dies ist ein völlig falscher Ansatz“, erklärte etwa Elisabeth van Heesch-Orgass, grüne Ratsfrau und Mitglied des Polizeibeirates. „Die aktuelle Familientragödie in Frohnhausen zeigt, dass der Einsatz der Polizei gerade im Bereich des Gewaltschutzgesetzes dringend geboten ist.“

„Verknüpfung mit Frohnhauser Fall ist unzulässig“

des Themas häusliche Gewalt mit der Frohnhauser Tat ist für die Polizeipräsidentin unzulässig. Die Polizei war mehrfach bei der Familie, kontrollierte wenige Tag zuvor das Rückkehrverbot des Vaters. Jeder Polizist würde sich sonst strafbar machen, das Gesetz verpflichte ihn.

Häusliche Gewalt hat fast höchste Priorität, so Elke: „Der nächste Wagen fährt in kürzester Zeit raus.“ Jeden Tag, mehrfach.

Doch Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr weist solche Kritik zurück. „Wir kommen bei jeder Gewalttat.“ Das gelte selbstredend auch bei häuslicher Gewalt, und niemand habe dies in Frage gestellt. Vielmehr habe man nur angeregt, den Aufwand nach dem Einsatz zu überdenken, „so dass die Polizei den Belangen der Opfer und Verdächtigten gerecht wird und Atem für andere Einsätze bleibt“.

Aufgaben straffen

Anders gesagt: Die Polizei wollte nur den Rattenschwanz späterer Aufgaben straffen. Dazu gehöre die Unterbringung des Mannes, der nicht nach Hause darf oder die Suche nach einer Unterkunft für die Frau, die nicht mehr bleiben wolle, sagt Polizeisprecher Lars Lindemann. Jeder Schritt wird dokumentiert. Das binde eine Streifenwagenbesatzung bis zu drei Stunden.

Das klingt nach einem bloßen Bürokratie-Abbau. Doch offen bleibt die Frage, warum die Münsteraner Polizei in dem Papier tatsächlich nur von der „Bearbeitung von häuslicher Gewalt“ spricht, während die Essener Kollegen hier von der „Einsatzwahrnehmung“ sprechen. „Dieser scheinbare Widerspruch ist nicht da, weil es nur um die Begrifflichkeit geht“, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Es handle sich nur um eine „unglückliche Formulierung, bei der beide Behörden das Gleiche meinen“: nämlich die Bürokratie. Alles andere sei „ein vermeintlicher Vorschlag, den ich nie gemacht haben“, betont Fischer-Weinsziehr. Selbst die Anregung, über die Organisation der Arbeit nach dem Einsatz nachzudenken, sei sofort vom Tisch gewesen: „Das Papier vom 18. Juni war einen Tag später erledigt.“